BAROCKE ANTIQUA UND ITALIKA
bezeichnete. Petit oeil zum Beispiel ist eine Schrift mit sehr kleinem Schriftbild. Oeil
poétique (Abb. ioi) wiederum ist eine sehr kondensierte Antiqua zum Satz der langen
Verse des zeitgenössischen französischen Alexandriners, aber den Anspruch auf die
Autorschaft machte ihm - mit Recht und Erfolg, wie es scheint, - Louis Luce streitig.
Wie bereits gesagt, ist Gros oeil eine Schrift mit großem Schriftbild. Alle diese ver¬
schiedenen Antiquaschriften verleugnen nicht ihre Herkunft von Grandjeans Schnitt
der Schrift Romain du Roi.
Die gemeinsame Eigenschaft von Fourniers Antiquaschriften ist ihre zarte, lichte
und gemäßigt kondensierte Zeichnung mit den flachen Serifen Grandjeans bei den
Versalien und an den Füßen der Schäfte des kleinen Alphabets, häufig ohne Kehlung.
Die langen Schäfte schließt Fournier aber in Übereinstimmung mit der immer noch
lebendigen Tradition der Renaissance mit gekehlten Serifen ab. Die Modellierung
ist noch sehr gemäßigt und allmählich. Fournier war auch in der Aufrichtung der
Schattenachse nicht immer konsequent. Während bei einigen Buchstaben ein und
derselben Antiqua diese Achse schon ganz senkrecht steht, ist sie bei anderen, zum
Beispiel bei den Versahen О und U und bei den Minuskeln с und e, immer noch
renaissancehaft geneigt. Hinsichtlich der Schriftkonstruktion beginnt sich mit einigen
Antiquaschriften Fourniers die neuzeitliche Form des Versals M mit vertikalen äußeren
Zügen zu stabilisieren. Von Grandjean wurden der gebogene Schrägfuß des Versals R
und häufig auch die horizontalen Serifen an den Schaftfüßen der kleinen Lettern b,
d und и übernommen. Die mit all diesen Hauptmerkmalen ausgestatteten Fournier-
schen Antiquaschriften sind typisch für die schönen französischen Drucke der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts. Eine dieser seiner Schriften - etwa in der Art seiner Oeil
poétique - bewährt sich vorzüglich auch im modernen Satz als Replik für die Setz¬
maschine Monotype, der hier noch besondere Aufmerksamkeit zu widmen sein wird.
Fourniers Italika stellt eine weitere Stufe in der Entwicklung der Schrift dieser
Klasse zur formalen Verschmelzung mit der Antiqua dar. Im Vorwort zu seinen Mo¬
dèles des caractères aus dem Jahre 1742 betont Fournier zwar selbst, daß er seine
Italika der zeitgenössischen Kursiv annähere, womit er aber die formalen Schreib¬
schriften der Kupferstecher meinte. Neu an der Italika sind seine antiquahaften Se¬
rifen am Kopf der Schäfte der kleinen Lettern m, n, p und r. Diese Serifen und die
konsequente Beseitigung aller Reste der kursiven Verbindungsstriche zusammen mit
der einheitlichen Neigung lenkten die Entwicklung der Italikazeichnung noch mehr
zur formalen Einheit mit der Antiqua. Der prächtige, wahrlich meisterhafte Schnitt
erwarb der Italika Fourniers breite Beliebtheit, und darum wurde sie zur typischen
Italika der Typographie des 18. Jahrhunderts. Beinahe alle europäischen Schriftgu߬
kataloge dieser Periode enthalten Proben von Italikaschriften dieses Schnittes, der der
weiteren Entwicklung den Weg bereitete.
Fourniers Verdienste enden aber nicht bei seinen Schriften. Als notwendige Er¬
gänzung des zeitgenössischen Buchschaffens gestaltete er zahlreiche Serien ornamen¬
taler Rokokoschriften und typographischer Verzierungen, fleurons, denen wir noch
heute in besser ausgestatteten Druckereien begegnen. Ein anderes Feld seiner viel¬
seitigen Betätigung war der theoretische Aspekt des Buchdrucks und Schriftgusses.
Zur Veröffentlichung seiner Überlegungen auf diesem Fachgebiet nutzte er manchmal
auch die Gelegenheit, die ihm die Herausgabe der Proben seiner eigenen Schriften
bot. Die Vorworte zu diesen in der graphischen Gestaltung typisch rokokohaften
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ABCDEFGHIJK
LMNOPQRSTU
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1 j klmnop qrfstuv
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ABCDEFGHIJKL
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XYZa bcdefghijklmn
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101. Französische barocke Antiqua und Italika des Übergangstypus,
P. S. Fournier, vor 1J42.
197