RÖMISCHE INSCHRIFTENSCHRIFTEN
den, in solchen Fällen sicher begreiflichen Tendenzen dar. Die Verbreiterung der
Proportionen im Einklang mit der Ordnung der scriptura quadrata ging hier Hand
in Hand mit einer Kompromißlösung der Serifenform, was schon an sich den hand¬
schriftlichen Charakter der Arbeit mit dem Malerpinsel ein wenig unterdrückte.
Dieses Vorgehen kann man bereits bei Inschriften etwa aus der Mitte des i. Jahr-
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Q2. Fasti Consulares etwa aus den Jahren 36—12 v. Chr. Rom. Detail.
hunderts v. Chr. feststellen, und in augusteischer Zeit kommt es ganz geläufig vor,
wie ein Alphabet aus dieser Zeit anschaulich macht, das wir hier in einer nach Hübner
angefertigten Zeichnung wiedergeben (Abb. 93). Manche Buchstaben sind darin immer
noch durch Formen vertreten, die für die Klassifizierung der Aktuarschrift entschei¬
dend sind : das E und F mit schrägen, schmäler werdenden Querbalken ohne Serifen,
das G mit spiralenförmig ins Innere des Schriftbildes gekrümmter Rundung, ganz zu
schweigen von den verbogenen Schäften des A und M. In einer Schrift dieser Art
waren historisch besonders bedeutsame Inschriften aus Funden vom Forum Romanum
abgefaßt, z. B. die Acta Triumphorum aus den Jahren um 36-12 v. Chr., eine In¬
schrift, aus der vor allem das zuvor erwähnte Alphabet zusammengestellt ist. Von
graphisch gleicher Art ist ein Beispiel aus der nicht minder bedeutsamen Inschrift
Fasti Consulares, die ebenfalls vom Forum Romanum und aus etwa derselben Zeit
stammt (Abb. 92). Die Fasti, eine altrömische Kalenderform mit verzeichneten Feier¬
tagen und verschiedenen anderen chronologischen Angaben, waren gewöhnlich in
einer Schrift dieses Typus niedergelegt; wir könnten hier noch weitere Beispiele der¬
artiger erhaltener Inschriften bringen. Doch das berühmteste Beispiel dokumentarischer
Schriftkunst und dieser Form der Dokumentarschrift und zugleich die berühmteste
lateinische Inschrift überhaupt ist das Monumentum Ancyranum, die lateinisch¬
griechische Replik einer Bronzeinschrift mit der Aufzählung der Taten des Caesar
Augustus, die ursprünglich für dessen Mausoleum in Rom bestimmt war und im Jahre
14 unserer Zeitrechnung in die Wand des Tempels des Augustus und der Roma im
kleinasiatischen Ancyra, dem heutigen Ankara, eingemeißelt wurde. Es ist dies eine
Königin der Inschriften (Mommsen), nicht nur ihrer außergewöhnlichen Ausmaße
und der Länge ihres Textes wegen, sondern vor allem auf Grund ihrer Bedeutung als
außerordentlich wertvoller Quelle für die Kenntnis der frühen römischen Kaiserzeit.
Da wir uns mangels eines besseren Beispiels damit begnügen müssen, nur einen ein¬
zigen der Quadern dieser Inschrift zu zeigen (Tafel XXI), wäre dies bedauerlich,
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93. Römische Dokumentarschrift, breite gemeißelte Form aus der feit des Augustus.