до. Römische Dokumentär schüft, besonders schmale gemeißelte Form. 2. Jahrhundert.
SCRIPTURA ACTUARIA
das Schriftschaffen in Stein, sondern auch deshalb lehrreich, weil es die erste der
Formen darstellt, in die man die scriptura actuaría steinerner und bronzener In¬
schriften einteilen kann. Diese erste Form — nach dem Grad ihrer formalen Abhängig-
91. Römische Inschrift aus dem Jahre 186. Provincia Bygacena.
keit - wollen wir die schmale bildhauerische Form der römischen Dokumentarschrift
nennen. Mit ihren Proportionen und der Ordnung ihrer Schriftzeichnung nähert sie
sich am meisten ihrem mit dem Pinsel vorgezeichneten Muster. Das hier wiederge¬
gebene Beispiel ist eben dieser Form wegen sehr anschaulich, aber es steht keineswegs
vereinzelt da. Nicht weniger typisch ist eine pompejanische Inschrift aus den Jahren
47_54 (Abb. 88) im Museum von Neapel, deren schmale, malerisch aufgefaßte Form
uns ebenso anspricht wie die Tatsache, daß der gesamte Text einschließlich der oberen
Zeilen in besagter Schrift ausgeführt wurde. Größtenteils aus dieser Inschrift ist ein
Alphabet zusammengestellt, das als typisch für die Zeit des Claudius gelten muß (Abb.
89). E. Hübner, aus dessen Vorlage wir hier wiederum schöpfen, hat es unbegreifli¬
cherweise unter die Alphabete der scriptura monumentalis eingereiht. Und dennoch
handelt es sich in formaler Hinsicht um eines der charakteristischsten Beispiele einer
epigraphischen Aktuarschrift mit insgesamt - das M ausgenommen - schmal propor¬
tionierten Buchstaben, mit der besonderen Serifenform und dem der Schreibtechnik
gemäßen Gesamtcharakter der Schriftzeichnung, der jenem gemalter Inschriften ent¬
spricht. Während die Proportionen dieses Alphabets immer noch mit beträchtlicher
Zurückhaltung schmal gehalten wurden, gilt das nicht mehr von der Schrift zahl¬
reicher anderer Inschriften dieser Art. Am weitesten scheint in dieser Richtung ein
Schriftkünstler gegangen zu sein, der die auf unserem Beispiel wiedergegebenen drei
Zeilen einer provinziellen Inschrift aus dem Jahre 186 zum Andenken des Kaisers
Commodus geschaffen hat (Abb. 91). Die Verengung des unschattierten Schriftbilds
geht hier bis zum Äußersten, ebenso wie die Unterdrückung sämtlicher Horizontalen,
die teils ganz fortfallen, wie z. B. die Querstriche des Buchstabens A, teils zu den Ab¬
messungen einer bloßen Serife verkürzt werden, wie im Falle der Buchstaben E, F, L
und T (Abb. 90). Dadurch hat die Lesbarkeit vor allem des Buchstabens L nicht wenig
gelitten, der in den Worten Aurelio und felici in der ersten Zeile praktisch nicht mehr
vom I zu unterscheiden ist.
Anders als die schmale Schrift der eben erwähnten Beispiele war die breite bild¬
hauerische Form der Dokumentarschrift für besonders wichtige Inschriftendokumente
bestimmt. Zeichnerisch stellte sie eine gewisse Konzession an die monumentalisieren-
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