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80. Römische Monumentalschrift, Ornamentalform des 4. Jahrhunderts.
SGRIPTURA MONUMENTAL IS
dition einer Stilisierung der Inschriftentexte Abstand und ersetzte sie durch selbstver¬
faßte Verstexte. Um die Inschriften auch mit ihrer äußeren Form interessant zu ge¬
stalten, ließ er sie in einer neuen’ Schrift meißeln, die sein Sekretär Furius Dionysius
Filocalus, ein gebürtiger Grieche und in seinem Amt Nachfolger des hl. Hieronymus,
für ihn entworfen hatte. Die Neuheit der Schrift des Filocalus bestand nicht nur darin,
daß sie sich von der klassischen Monumentalschrift durch einen stärkeren Kontrast
der Haar- und Schattenstriche und weniger differenzierte Breitenproportionen unter¬
schied, sondern vor allem zeichnete sie sich durch das zu diesem Zeitpunkt bereits in
Vergessenheit geratene Prinzip der Schaftspaltung und einer bogenförmigen Krüm-
mung der dünnen Serifen aus. Es scheint, daß Filocalus sich der Existenz seiner Vor¬
gänger nicht bewußt war und die Neuheiten als seine Entdeckung ausgab, wie aus der
Anmerkung auf einer seiner Inschriften hervorgeht : Furius Dionysius Filocalus scrip-
sit... Wenn wir seine Schrift nach einer Anwendung in einer anderen seiner Inschrif¬
ten, dem Carmen Damasi papae aus der Zeit vor 384 (Tafel XX b) begutachten,
können wir ihr eine beachtliche graphische und dekorative Wirkung nicht absprechen,
denn sie ist zeichnerisch gut gelungen und harmonisch in ihrem Aufbau. Beim ge¬
naueren Studium ihres Alphabets, das wir hier als letztes unserer Alphabete der rö¬
mischen Monumentalschrift anführen (Abb. 80), müssen wir die fein ausgeführten
Einzelheiten der Schriftzeichnung, die kleinen Ausbuchtungen der Schäfte zwischen
den aufgespaltenen und zum Schaft zurückgebogenen haardünnen Serifen, die übri¬
gens am Fuß der Schäfte linksseitig mit einer feinen Wellenlinie ansetzen, mit Ge¬
nugtuung zur Kenntnis nehmen. Diese reiche dekorative Ausschmückung wird jedoch
nicht bei allen Strichen monoton wiederholt. Die Buchstaben О und Q, bleiben selbst¬
verständlich undekoriert und in ihrer ursprünglichen Gestalt, die Serifen des E, F und
T sind entweder einfach oder nur leicht gekrümmt, ebenso die der Rundungen des С
und S. Gespaltene Serifen haben nur die oberen Scheitel der Buchstaben А, M und N
aufzuweisen, während die unteren Winkel beider letztgenannten Buchstaben sowie des
V spitz bleiben. Zeichnerisch fesselt außerdem die Form der Buchstaben В, P und R
mit kaum verstärkten Bauchrundungen, was im Vergleich mit den sehr fetten Schäf¬
ten, vor allem beim Buchstaben R, ungewohnt wirkt und eine fast ein wenig unange¬
brachte Aufmerksamkeit wachruft. Obwohl die Schrift des Filocalus nicht die erste
ihrer Art ist, hat sie eine von unserem Gesichtspunkt aus ganz außergewöhnliche Be¬
deutung, weil sie allem Anschein nach gerade jenes Bindeglied darstellt, an das die
weitere Entwicklung der ornamentalen Lateinschrift anknüpfte. Umso merkwürdiger
ist es, daß die Schrift des Filocalus zu ihrer Zeit offenbar keinen durchdringenderen
Widerhall fand, der ihr eine unmittelbare Nachfolge gesichert hätte. Nach dem Tod
des Damasus im Jahre 384 kommt sie - einige Kopien seiner Inschriften aus dem
6. Jahrhundert ausgenommen — im monumentalen Schriftschaffen praktisch nicht
mehr vor. Dafür begegnen wir ihr und ihr ähnlichen Schriften umso öfter in der Kalli¬
graphie der handschriftlichen Kodizes und später in verschiedenen Stilformen der
lateinischen Druckschrift.
Bei der formalen Analyse einiger hier wiedergegebener Beispiele der monumentalen
Schriftkunst des alten Roms mußten wir mehrmals auf den Einfluß hinweisen, den eine
gleichzeitige römische Schrift anderen Typus auf die Schriftzeichnung der scriptura
monumentalis ausübte. Es liegt somit die Vermutung nahe, daß diese weitere Schrift
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