RÖMISCHE INSCHRIFTENSCHRIFTEN
Wir könnten eine reiche Auswahl von Beispielen der hochklassischen römischen
Inschriftenkunst dieser Epoche anführen, wenn sich dieses Kapitel über seinen zu¬
lässigen Umfang hinaus erweitern ließe. Dazu würden uns die zahlreichen Denk¬
mäler sowohl aus dem Kerngebiet des römischen Imperiums, als auch aus den
6g. Fragment einer römischen Inschrift, 117-138. Puteoli.
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70. Römische Inschrift aus den Jahren 143-160. Aquinum. Detail.
Provinzen und ihren Grenzbereichen verhelfen. Eine besonders reiche Auswahl¬
möglichkeit bieten uns die römischen Denkmäler des Rheinlands in den deutschen
Museen, die dem deutschen Leser im Oidginal wie aus der umfassenden deutschen
Fachliteratur ja gut bekannt sind.
Während der Regierungszeit Mark Aurels (161-180), Nachfolgers des Antoninus
Pius, werden auch die Länder Mitteleuropas in den Expansionsbereich des römischen
Imperiums einbezogen. Bis dahin hatten sie die unmittelbare Wirkung der römischen
Kultur und politischen Macht noch nicht kennengelernt. Bei seinem Kampf gegen
die germanischen Stämme jenseits der Donau, die Quaden, Markomannen und Sar-
maten, überschritt Marcus Aurelius im Jahre 172 diesen Grenzstrom. Seit der Zeit
war dieses Gebiet, das der Kaiser als neue Provinz Marcomannia dem Imperium ein¬
zuverleiben gedachte und das ungefähr der heutigen Tschechoslowakei entsprach,
acht Jahre lang Kriegsschauplatz. Erst im Jahre 175 konnte Marcus Aurelius einige
Gegenden der heutigen Slowakei und Südmährens mit Garnisonen belegen, aber nach
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SCRIPTURA MONUMENTAL IS
seinem Tod mußten diese wieder über die Donau zurückgezogen werden. Aus der
kurzen Zeit römischer Herrschaft haben sich auf tschechoslowakischem Boden nicht
allzuviele Denkmäler und besonders selten Schriftdenkmäler erhalten. Deren wich¬
tigstes ist die römische Inschrift auf dem Burgfelsen von Trencin. Sie stammt wahr¬
scheinlich aus dem Jahre 179 und feiert den Sieg der II. Legion Mark Aurels und
seines Sohnes und Mitkaisers Commodus (Tafel XVIIb). Von unserem Gesichtspunkt
aus ist sie leider kein besonders hervorragendes Beispiel des römischen Schriftschaffens
dieser Epoche, begreiflicherweise schon deshalb, weil die Truppen kaum über einen
spezialisierten und hochqualifizierten Fachmann auf diesem Gebiet verfügten. Auch
die offenbar vorher nur grob bearbeitete Felswand stellte der Ausführung der Inschrift
beträchtliche Hindernisse entgegen. Wenn wir all das in Betracht ziehen, müssen wir
dieser Leistung, die von der bewundernswert selbstverständlichen Allgemeinkultur
des Schriftschaffens jener Zeit zeugt, die gebührende Anerkennung zollen. Die gra¬
phische Anordnung des Textes entspricht der Tradition, daß die Zeilenhöhe von oben
nach unten abnimmt. Am höchsten sind die beiden ersten, durch einen großen Zeilen¬
abstand getrennten Zeilen, deren jede nur ein einziges Wort enthält (Victoriae - Au-
gustorum). Die beiden weiteren Zeilen weisen bereits sehr kleine Zeilenabstände auf
und ihre Höhe beträgt etwa 2/3 der Höhe der oberen Zeilen. Die fünfte ist noch etwas
niedriger und die letzte hat eine Höhe von nur noch etwa 1/a einer der oberen Zeilen.
Die verwendete Schrift ist eine befriedigendere scriptura quadrata mit stumpfen Schei¬
teln. Im Proportionsrhythmus gut konzipiert, läßt sie dennoch gewisse nicht ganz
glückliche Abweichungen der Schriftzeichnung erkennen, z. B. beim A mit verengtem
Winkel zwischen den Schrägbalken und einseitiger, nach links hinausgreifender stump¬
fer Serife. Andere Abweichungen sind geglückter, so etwa die schöne Form des Buch-
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71. Römische Inschrift etwa aus dem 3. Jahrhundert. Ostia.
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