RÖMISCHE INSCHRIFTENSCHRIFTEN
46. Fragment einer römischen Inschrift etwa aus dem Jahre 2 v. Chr. Pompeji.
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47. Römische Inschrift aus dem Jahre 7 v. Chr. Pompeji.
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48. Fragment einer römischen Inschrift um das Jahr
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49• Fragment einer römischen Inschrift. Puteoli, 14-37 n- Chr.
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SCRIPTURA MO NU MENTAL IS
scriptura quadrata, die fast in jeder Hinsicht, in den Proportionen des Schriftbildes,
der Gestaltung und im Anlauf der feinen Serifen und schließlich auch im fein ge¬
fühlten Kontrast des Strichstärkewechsels, der jedoch bei gewissen Buchstaben kaum
feststellbar ist, als vollkommen gelten muß. In dieser Schrift sind zugleich Inschriften
von außergewöhnlicher schriftkünstlerischer Perfektion gestaltet, beispielsweise eine
solche aus dem Jahre 7 v. Chr. auf einem Marmorarchitrav aus Pompeji im Museum
von Neapel (Abb. 47). Die Eleganz der Schrift und schriftkünstlerischen Ausführung
dieser und ähnlicher Inschriften muß auch dem graphisch unerfahrenen Betrachter
einen erlesenen ästhetischen Genuß bereiten. Das bewundernswerte Niveau des Schrift-
schaifens um den Beginn unserer Zeitrechnung stellen insbesondere zwei Marmor¬
fragmente des Neapolitanischen Museums unter Beweis. Eines stammt aus Pompeji
und ist um 2 v. Chr. entstanden (Abb. 48), das andere ist aus Puteoli und zur Zeit
des Augustus-Nachfolgers Tiberius (14-37 n- Chr.) gemeißelt (Abb. 49). Beide zeigen
hervorragende Beispiele der wundervollen Schriftzeichnung, die die voll entwickelte
Form der monumentalen Lateinschrift dieser Epoche kennzeichnet. Wir haben es uns
daher nicht versagen können, aus diesen und anderen Inschriften der Zeit des Au¬
gustus und Tiberius (Tafel XIV) noch ein weiteres besonders bemerkenswertes
Alphabet (Abb. 42, 43) zusammenzustellen. Mit ihm sei bezeugt, daß das römische
Schriftschaffen schon in der frühen römischen Kaiserzeit einen Höhepunkt erreichte.
Wenn die römische Monumentalschrift in der Zeit des Augustus und den unmittel¬
bar folgenden Jahren zu einer so vollendeten Form gediehen war, daß sie im Laufe
der weiteren Entwicklung nur noch feingeschliffen wurde, um in der formalen Rein¬
heit einer klassischen Schrift von überzeitlicher Schönheit zu gipfeln und als ewig
lebendiges und unnachahmliches Ideal der Vollkommenheit des lateinischen Alpha¬
betsjahrtausende zu überdauern, müssen wir für eine Weile bei der chronologischen
Abfolge ihrer Entwicklung Halt machen und ihr einige Aufmerksamkeit widmen.
Denn auch zweitausend Jahre haben diese klassische Schrift nicht ihrer Lebenskraft
und ihrer übrigen ausgezeichneten Eigenschaften beraubt, mit denen sie sämtliche
Schriften aller Zeiten übertrifft. Ihrer Schönheit und Deutlichkeit wegen ist sie auch
heute die gegebene Schrift für die anspruchsvollsten monumentalen Aufgaben. Wir
werden daher nie fehlgehen, wenn wir auf sie als die beste Lösung in allen schwierigen
Fällen immer wieder zurückgreifen werden. Das Studium der klassischen Form der
römischen Monumentalschrift kann somit jenen, die in welchem Fach immer mit der
Schrift arbeiten wollen, von höchsten Nutzen sein. Und mit dem Nutzen stellt sich
auch jener außerordentliche ästhetische Genuß ein, den die graphischen Werte der
ganzen Inschriften wie jedes einzelnen Buchstabens dieses schönen Alphabets dem
Eingeweihten vermitteln. Wenn wir mit aufmerksamem Blick die Ruhe und die kühle,
entpersönlichte Monumentalität der strukturalen Ordnung der klassischen Inschriften
auskosten, können wir nicht umhin, einen ästhetischen Genuß von gleicher Art zu
empfinden, wie ihn uns die Architektur gewisser Bauformen des antiken Roms erleben
läßt. Wir haben das Gefühl, daß es sich hier um dasselbe dem Auge wohltuende
Zusammenspiel gerader und runder Formen handelt, wie wir sie bei den Triumph¬
bögen der römischen Kaiser vorfinden, so daß sich die Frage aufdrängt, ob Schrift
und Architektur einander hier nicht gegenseitig beeinflußt haben. Denn in beiden
Kunstbereichen tritt gleichzeitig dasselbe Prinzip des Gleichgewichts architektonischer
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