RÖMISCHE INSCHRIFTENSCHRIFTEN
dings auch die epigraphisch bedeutenden Fragmente von Praeneste keineswegs an¬
gesprochen werden. Sie sind die ältesten bekannten römischen Grabinschriften aus der
Zeit um 250-150 v. Chr., von denen uns mehrere aus anderen Gründen später inte¬
ressieren werden (Tafel III). Unter verschiedenen anderen Fragmenten monumentaler
Inschriften dieser Art und Epoche kann von unserem Gesichtspunkt aus die Dedika-
tionsinschrift auf einer der Bronzetafeln aus Norba etwa aus dem 3. Jahrhundert
v. Chr. als interessanteste gelten (Tafel IVb,c). Obwohl auch hier der Schriftaspekt
zu wünschen übrig läßt, ist ein gewisser Fortschritt in der formalen Stabilisierung des
Monumentalalphabets festzustellen, allerdings mit Ausnahme der Buchstaben L und
P, die noch in ihrer archaischen Erscheinungsform vertreten sind. Dasselbe gilt von
einer in der Schriftgestaltung weit besser ausgeführten Votivinschrift auf einer beider¬
seitig beschrifteten Bronzetafel aus Falerii, die gleichfalls aus dem 3. Jahrhundert
v. Chr. stammt (Tafel IV a). Sehr interessante Dokumente der frühen lateinischen
Monumentalschrift sind die altrömischen Münzen vom Ende des 4. und aus der ersten
Hälfte des 3. Jahrhunderts, die verschiedentlich in Kampanien, Luceria, Rom u. ä.
gefunden wurden und deren Schriftanteil zwar nicht gerade sehr ergiebig ist, die
aber durch die Eingliederung der Inschrift in das rein künstlerische figurale oder
ornamentale Werk des Medailleurs bestechen. Schließlich seien die zahlreichen ein¬
gravierten oder gemalten Inschriften auf Keramiken und Metallgegenständen er¬
wähnt, die oft sehr beachtliche Beispiele dieser Frühform unserer Schrift darstellen.
Von unverhältnismäßig größerer Bedeutung für das Studium der frühen römischen
Schriftkunst sind jedoch Inschriften mit ausgedehnteren Texten, und von diesen müs¬
sen wir an erster Stelle jene der Grabmäler der Familie Scipio nennen, deren Ruhm
mit der Teilnahme ihrer Mitglieder an den punischen Kriegen zusammenhängt. Die
älteste dieser heute in den vatikanischen Sammlungen verwahrten Inschriften, das
Epitaph des L. Cornelius Cn. f. Scipio Barbatus, Konsuls im Jahre 298 und Zensors
im Jahre 290 v. Chr. (Tafel Va), zeigt noch alle bezeichnenden Eigenschaften der
Frühform der monumentalen Lateinschrift : die Unausgeglichenheit der Gesamtstruk¬
tur und die archaischen Formen der Buchstaben F, L, N und P. Was ihre Entstehungs¬
zeit betrifft, kann wahrscheinlich nur der mit Rötel gemalte Name des verstorbenen
als ursprünglich, d. h. aus der Zeit nach 258 v. Chr. stammend gelten, während das
gemeißelte Elogium offenbar nicht älter ist als das Epitaph seines Sohnes L. Cornelius
L. f. Scipio (Tafel Vb), das ungefähr vor 234 v. Chr. entstanden sein mag. Doch
auch so führen uns beide Grabmäler schöne Beispiele der monumentalen Lateinschrift
und der römischen Schriftkunst des 3. Jahrhunderts v. Chr. vor Augen. Besonders die
Schrift des letztgenannten Epitaphs, ausgenommen die ersten beiden noch weitgehend
archaischen und hier übrigens nicht wiedergegebenen Zeilen mit dem Namen und
den Würden, stellt eine bereits verhältnismäßig ausgeglichene Majuskel dar, in der
sich auch schon ein Rhythmus der verschiedenen stabilisierten Buchstabenbreiten
geltend zu machen beginnt. Noch ausgeprägter ist diese Tendenz bei den Dedikations-
inschriften des Tribunen M. Furius aus Tusculum um 250-150 v. Chr. (Tafel VIb, c).
Obwohl sich ihre Schrift mit der archaischen Form des Buchstabens L mit schräg
aufwärts weisendem Querbalken, dem unten offenen Kreis des Buchstabens О und
der eckigen Zeichnung des P noch zur Frühform der römischen Monumentalschrift
gesellt (Abb. 32), ist das Schriftschaffen hier für seine Zeit bereits ungewöhnlich ent¬
wickelt und durch die Ruhe und Ordnung der bereits völlig ausgeglichenen Monu-
90
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32. Römische Monumentalschrift, frühe Form des 3.-2. Jahrhunderts v. Chr.