RÖMISCHE INSCHRIFTENSCHRIFTEN
System hervorzuheben oder auch nur beizubehalten. Die eigentliche graphische Be¬
arbeitung beschränkte sich also auf die bloße, mehr oder weniger flüchtige Reproduk¬
tion der Schriftkonstruktion an sich, deren verborgene formale Möglichkeiten erst
viel später entdeckt wurden. Die ersten Anzeichen einer Besserung können wir merk-
29. Inschrift auf der Vase von Ardea, etwa 4. Jahrhundert v. Chr.
würdigerweise schon bei ungefähr gleichzeitigen oder zeitlich von den eben erwähnten
Dokumenten der ältesten Form der Lateinschrift nicht allzusehr entfernten Schrift¬
denkmälern feststellen.
Zu einem solchen vorläufig noch sehr bescheidenen Fortschritt in dieser Richtung
kam es zugleich mit der Entstehung der ersten lateinischen Inschriften monumentalen
Charakters. Dieser Zusammenhang bestätigt hier erneut die Regel, nach der Aufgaben
dieser Art in der Geschichte der Schrift stets zur Entstehung einer Sonderkategorie
einer nationalen Schriftform führten : der Monumentalschrift. Aus denselben Beweg¬
gründen entstand und entwickelte sich auch die römische Monumentalschrift, die
SCRIPTURA MONUMENTALIS oder scriptura monumentorum als Hauptform der
römischen Inschriftenschriften. Die Entwicklung von der archaischen Lateinschrift
zur höheren Monumentalform war jedoch so allmählich, daß sich eine klare Scheidung
der beiden Schriftformen nur sehr schwer durchführen läßt. Es ist somit keine leichte
Aufgabe, festzustellen, ob eine Inschrift eine jüngere Version der archaischen Latein¬
schrift oder eine frühe Monumentalschrift darstellt. Das einzige Kriterium ist in diesen
Fällen die auf dem Weg zur konstruktiv stabilisierten und formal disziplinierten Schrift¬
zeichnung in einem konsequent eingehaltenen Schriftsystem erreichte Entfernung. In
der ersten Phase dieser Entwicklung ist das Ideal noch in weiter Ferne, einzelne Buch¬
staben sind immernoch durch mehrere archaische Formen vertreten, von denen einige
eine bemerkenswerte Lebenskraft bewiesen haben. Auch das Streben nach einer Art
Ordnung der Schriftkomposition beginnt sich nur zögernd geltend zu machen, zwei¬
fellos auch darum, weil es sich in älterer Zeit, wie es scheint, insgesamt um Inschriften
nichtprofessioneller Herkunft handelt. Als ältestes Beispiel dieser Entwicklung können
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30. Archaische Lateinschrift, 6.-4. Jahrhundert v. Chr.