DIE VORGESCHICHTE DER LATEINSCHRIFT
Majuskel V mit einem Punkt im Inneren des von beiden Schrägbalken eingeschlos¬
senen Winkels. ...
Die ganze Reihe der übrigen altitalischen Schriften, die sich meist nur in verein¬
zelten und kurzen Inschriften erhalten haben, wird von der modernen Wissenschaft
nach gewissen Merkmalen der Verwandtschaft in zwei Gruppen eingestuft: in die
alpinen und die adriatischen Schriften. Das eingehendere Studium dieser weniger bedeu¬
tenden Schriften würde uns jedoch zu weit von unserem Weg fortführen, da sie mit
der Entwicklung unserer Schrift nur insofern Zusammenhängen, als sie derselben west¬
griechischen Wurzel entstammen. Es genügt hier demnach, festzustellen, daß die
Gruppe der alpinen Schriften die venetische und Schriften auf Funden aus Lugano,
Bolzano und Sondrio umfaßt, die sämtlich ohne Zweifel von der etruskischen Schrift
abgeleitet sind. In der Gruppe der adriatischen Schriften sind die messapische Schrift,
die Schrift der Funde von Novilara, die sikulische und die praesabellische Schrift
enthalten. Über ihre Herkunft herrscht vorläufig keine Gewißheit außer der Tatsache,
daß auch sie vom westgriechischen Alphabet abgeleitet sind, aber sicher ohne etruski¬
sche V ermittlung.
Mit der Aufzählung dieser von unserem Gesichtspunkt aus nicht besonders wichti¬
gen Schriften haben wir unsere Übersicht aller italischen und aus dem westgriechi¬
schen Alphabet entstandenen Schriften außer jenen der lateinisch-faliskischen Sprach-
gruppe abgeschlossen. Die letzteren sollen der Schlußpunkt unseres kurzen Auszugs
aus der Vorgeschichte unseres Alphabets sein. Zunächst sei hier di с faliskische Schrift
genannt (Abb. 23), und zwar sowohl deshalb, weil mit der anderen, der archaischen
Lateinschrift, bereits die eigentliche Geschichte unserer Schrift beginnt, als auch weil
der Faliskerschrift manchmal die Rolle des letzten Glieds der Entwicklungskette zur
Lateinschrift zugeschrieben wird. Die Falisker, wie sich die Einwohner der Stadt
Falerii am rechten Tiberufer in der Nähe von Veji - einer von den Römern 241 v. Chr.
zerstörten etruskischen Stadt — nannten, lebten unter langdauernder etruskischer
Oberherrschaft. Aus dieser politischen Abhängigkeit und dem vielleicht damit zu¬
sammenhängenden Mangel an Kontakten mit den eigenen Stammesgenossen ergab
sich auch eine gewisse Eigenentwicklung der Faliskersprache, die eigentlich nur ein
Dialekt der Sprache der übrigen Latiner war. In einem solchen Fall ist es allerdings
natürlich, daß die faliskische Schrift auf Grund etruskischer Vermittlung entstand, was
auch die graphische Gestaltung der Buchstaben z und t bestätigt. Obwohl die Falisker¬
schrift sonst am nächsten mit der Lateinschrift verwandt ist, kann man daraus keines¬
wegs folgern, daß diese notwendig von der ersteren abgeleitet sein muß. Wenngleich
die lautbildenden und syntaktischen Unterschiede zwischen der osko-umbrischen und
der latino-faliskischen Sprachgruppe beträchtlich waren, hatte die Faliskersprache
dieselbe phonetische Zusammensetzung wie das Latein jener Zeit. Es ist daher ein¬
leuchtend, daß sich die beiden Schriften auch in der phonetischen Analyse, d. h. mit
ihren Lautkomplexen und Alphabeten nicht allzusehr voneinander unterschieden.
Nichtsdestoweniger weicht die Faliskerschrift im graphischen Ausdruck einiger Laute,
wie z. B. a,f h, so weit von der Lateinschrift ab, daß die Hypothese von der unum¬
gänglichen faliskischen Vermittlung zwischen dem etruskischen und dem lateinischen
Alphabet nicht ohne berechtigte Bedenken akzeptiert werden kann.
Der in der Entwicklung vom westgriechischen Alphabet zur Lateinschrift zurück¬
gelegte Weg ist daher, wie ersichtlich, derzeit noch umstritten. Es handelt sich hier
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23. Faliskische Schrift, etwa 5.-4. Jahrhundert v. Chr.
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