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ил лллу frß tP/V t^W idL vss 321. Kurrentschrift, 16. Jahrhundert. KURRENTSCHRIFT An der Wende des 18. Jahrhunderts übertreiben manche deutsche Kalligraphen, Die dritte Form der deutschen Urkundenkursiv war eine für den gewöhnlichen 537
wie Zunner 1709 und Georg Heinrich Paritius, Schreib- und Rechenmeister in Re¬
gensburg 1710, in ihren Handbüchern das radikal Barocke, indem sie sämtliche ge¬
raden Züge rundbiegen und die Zahl der kühnen kalligraphischen Spiralen und
Schlingen vervielfachen. Damit verändert die Kanzleischrift ihr Aussehen bis zur
Unkenntlichkeit des Renaissanceprototyps. Die Schriftachse des großen und kleinen
Alphabets (Abb. 320) neigt sich noch mehr, der Kontrast des Strichstärkewechsels
verstärkt sich, aber nur auf Kosten der Haarstriche, und die ganze Schriftzeichnung
erhält eine unangenehme Schärfe. Die Majuskeln büßen ihre grundlegende, allge¬
meingültige Konstruktion ein, und in jeder Urkunde, jedem kalligraphischen Muster
begegnen wir neuen und wiederum neuen Modifikationen. Stabiler war das kleine
Alphabet, zeichnerisch ist es jedoch entweder eckiger oder dornspitz. Dieses Verfalls
scheint man sich damals allgemein bewußt gewesen zu sein, weshalb Michael Bauren-
feind in seinem Handbuch Vollkommene Wiederherstellung der bisher sehr in Verfall
gekommenen gründlich u. zierliche Schreib-Kunst, das 1716 in Nürnberg erschien,
grundsätzlich wieder auf die ursprüngliche Renaissancezeichnung zurückgreift. Eine
ruhigere Kanzleischrift zeigt auch schon Johann Friedrich Staeps d. J. in seiner
Sammlung Bequeme Taschenvorschriften, die er 1751 in Leipzig herausgab, und der
Einfluß Baurenfeinds machte sich auch bei den anderen deutschen Kalligraphen des
18. Jahrhunderts fühlbar. Dessenungeachtet nähern sich die deutsche Kanzleischrift
und die geläufige Kursiv einander immer mehr, bis schließlich jeder Unterschied
schwindet.
Alltagsgebrauch bestimmte und verwendete Schrift, die allgemein Current oder KUR¬
RENTSCHRIFT genannt wird. Der Name ist vom lateinischen curro, currens und
von da aus dem französischen courant abgeleitet, was geläufig bedeutet, und diese
flüssige Geläufigkeit ist tatsächlich das Hauptmerkmal der Kurrentschrift, die sich
einzig darin von der Kanzleischrift unterscheidet. Lassen wir wieder Wolfgang Fugger
zu Wort kommen; in seinem Buch aus dem Jahre 1553 sagt er über diese Schrift: ‘Es
sei viererley gemainer vnnd gebreüchlicher Handtschriefften welche man Currenten
nennet. Darumb das sie behennder vnnd fertiger von der handt, als die anndere
schriefften mügen vnd künnen geschrieben werden, jre namen sind gemain (oder
gelegt), geschoben, gewunden, vnd gewelbt...’ Zu diesen Varianten, die wir be¬
reits aus der Sammlung des Caspar Neff von 1549 kennen, kann man sagen,
daß wiederum Richtung und Form der Schäfte des m, n ihr Hauptunterschei¬
dungsmerkmal ist, ähnlich wie dies bei der deutschen Kanzleischrift der Fall war.
Das gemeinsame Kennzeichen all dieser Formen ist die flüssige Verknüpfung der Züge
benachbarter Buchstaben durch Verbindungsstriche - man schreibt in einem Zug.
Außerdem kommen im kleinen Kurrentalphabet des 16. Jahrhunderts (Abb. 321) nur
sehr wenige grundsätzliche Abweichungen vom Alphabet der Kanzleischrift vor. Das
с ist hier ausschließlich scharf geformt, die zunächst geschlossene e-Schlinge öffnet sich
immer öfter, bis sich die ganze Form des Buchstabens verändert und dieser der älteren
Minuskel r ähnelt. Sehr früh erhält das g eine neue Kursivform, und seine Schlinge
hat dann eine Analogie in der Doppelschleife des h. Die verdoppelte Rundform des r
verdrängt schnell die ältere Minuskelform. Die Buchstaben p und x lassen sich nur
daran erkennen, ob der unter die Fußlinie gezogene Teil der Schriftzeichnung gerade