KURSIVSCHRIFTEN DES GOTISCHEN TYPUS
heimischen Bastarden und andere Schriften des gotischen Typus und wurde für lange
Zeit zur wichtigsten Schrift für Drucke in tschechischer Sprache. Man hielt sie für
außerordentlich geeignet zum Satz in tschechischer Sprache, weil sie den besonderen
Anforderungen der tschechischen Sprachstruktur zu entsprechen schien. Darum ver¬
wendeten sie nahezu sämtliche Drucker der folgenden Generationen, und ihre Schwa¬
bacher ist meist eine solche von fremder Herkunft und geläufiger Standardzeichnung.
Zu dieser Zeit endet bereits die erste Phase des Buchdrucks, in der der Drucker gleich¬
zeitig Schriftschneider war; das Schriftgießen wurde zu einem selbständigen Gewerbe
und die Drucker fanden es lohnender, fertige Schriften oder wenigstens deren Matri¬
zen zu kaufen. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts soll nur Jiri Melantrych von
Aventyn eine Schwabacher eigenen Schnitts besessen haben, die gewisse kleine Ab¬
weichungen vom geläufigen Standard aufwies, weshalb sie oft mit Melantrychs Namen
bezeichnet wird. Eine feine Zeichnung zeigt die Schwabacher der Druckerei der
Böhmischen Brüdergemeinde in Ivancice (Mähren) ; sie diente zum Druck von Ge¬
sangbüchern und anderer Literatur dieser protestantischen Sekte.
Als die Böhmischen Brüder gezwungen waren, ihre verdienstvolle Tätigkeit in Ivan¬
cice aufzugeben, richteten sie auf der Feste von Kralice eine geheime Druckerei ein,
wo sie in den Jahren 1578-1622 in ihrem Wirken fortfuhren. Sie bedienten sich dabei
des Materials und der Einrichtung, die sie von ihrer alten Wirkungsstätte mitgebracht
hatten. Zwischen 1579-1594 druckten sie ihre berühmte sechsbändige Tschechische
Bibel, die allgemein als Bibel von Kralice bekannt ist (Tafel CXII). Es ist dies ein
in jeder Hinsicht außerordentlich bedeutsames Buch, das mit seiner vollendeten Über¬
setzung, der Schönheit seiner tschechischen Sprache und der Vollkommenheit seiner
Typographie höchstes europäisches Niveau erreicht. Die hervorragenden Qualitäten
der Druckerei von Kralice konnten sich zwar nur in deren Heimatland einer vollen
Wertschätzung erfreuen, aber trotzdem wurde sie in letzter Zeit auf Grund ihrer
Schrift zu einer Sensation der Paläotypie der ganzen Welt. Bei archäologischen Gra¬
bungen auf der Feste von Kralice gelang Frau Dr. V. Fialovä in den Jahren 1956-
1958 die außerordentlich bedeutsame Entdeckung von über 2000 Lettern jener Schrif¬
ten, mit denen in Kralice 64 Bücher gedruckt worden waren, darunter selbsverständ-
lich an erster Stelle die Bibel von Kralice. Dieser großartige Fund ist von unschätz¬
barem Wert für die Geschichte des Buchdrucks nicht nur Böhmens, sondern der
ganzen Welt, in der ihm nichts Gleichwertiges gegenübergestellt werden kann. 1868-
1869 wurden zwar im Fluß Saone bei Lyon insgesamt 20 nicht sonderlich gut erhaltene
Lettern vom Ende des 15. Jahrhunderts gefunden, die nach M. Claudin aus der Lyoner
Offizin des Guillaume Le Roy stammen sollen und somit chronologische Priorität
haben, aber eine solche Menge ausgezeichnet erhaltener, genau bestimmbarer und
datierbarer Drucklettern, wie sie in Kralice gefunden wurden, übertrifft sicherlich an
Bedeutung den Lyoner Fund, auch wenn der böhmische zeitlich an zweiter Stelle
steht. Der Fund von Kralice enthält darüber hinaus verschiedene Arten der Schwa¬
bacher, Fraktur und Antiqua in Schriftgraden von der Perl bis zur Mittel, aber die
Hauptschrift der Druckerei von Kralice war eine Schwabacher von etwa drei Graden
und vermutlich eigener Herstellung, denn man fand neben Klumpen von Lettern¬
metall auch die Gußform einer Letter, was bezeugt, daß die Drucker der Böhmischen
Brüdergemeinde ihre Schriften auch selbst gossen. - Die Schwabacher wurde für eine
lange Zeitspanne zur nationalen Schrift für Druckwerke in tschechischer Sprache,
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306. Martin Luther, Von den guten Werken. M. Lotter, 1520.
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307. Wittenbergische Druckbastarda. M. Lotter, 1308.
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