KURSIVSCHRIFTEN DES GOTISCHEN TYPUS
dieser Beispiele die sehr kursive, aber außerordentlich breite Zeichnung eines kleinen
und runden Schriftbildes aufweist, um in jenen aus der Mitte des 15. Jahrhunderts
eine weitgehend ausgeglichene, wirklich buchmäßige und kontrastarme Zeichnung
zu erhalten (Abb. 297). In ihrem Alphabet fällt die abweichende Zeichnung des Buch-
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due fy cob ffrvacty Xxxtr [) 29,9. Kölnische Bastarda, um 1460. - 300. Niederdeutsche Bastarda, 13. Jahrhundert. stabens r in Gestalt unseres x auf. Dieselbe r-Form zeigt manchmal auch diefränkische Aus dieser kurzen Übersicht verschiedener deutscher Handschriftenbastarden des 506 OBERRHEINISCHE BASTARDA geringfügig, wenngleich graphisch oft interessant, und nur in einigen wenigen Fällen Eine größere Bedeutung als in den handschriftlichen Kodizes gewannen die deut¬ Im Jahre 1484 bediente sich Ludwig Renwich in Köln a. R. zum ersten Mal einer 507
Bastarda, die jedoch im übrigen gleichfalls einen sehr uneinheitlichen Duktus hat.
Manchmal ist sie sehr kontrastreich und kursiv geneigt, in den besseren Handschriften
jedoch senkrecht und ausgeglichener, obwohl sie wiederum an den gedehnten Ober¬
und Unterlängen zahlreiche Schleifen zeigt. (Abb. 298). Einen sehr formalen Cha¬
rakter und breiten fetten Duktus hat in Beispielen aus der Mitte des 15. Jahrhunderts
die kölnische Bastarda. Aus der Schrift dieser Handschriften sind die Schleifen ver¬
schwunden oder auf ein Minimum verkürzt worden, und auch die gotische Form des
Buchstabens к kommt nicht mehr vor (Abb. 299). Die letzte Schrift dieser Gattung,
die niederdeutsche Bastarda, zeigt abermals einen stark uneinheitlichen Duktus. In den
Beispielen vom Beginn des 15. Jahrhunderts ist sie gleichfalls sehr kursiv, um später
fett, breit und sehr formal zu werden und nicht nur die Kursivschleifen einzubüßen,
sondern die verlängerten Schäfte sogar mit Serifen abzuschließen (Abb. 300).
15. Jahrhunderts ergibt sich die unzweifelhafte Tatsache, daß die graphischen Unter¬
schiede bei ihrer Einteilung nicht so maßgebend sind wie man erwarten müßte, und
daß auch die Abweichungen der Schriftzeichnung einzelner Buchstaben keineswegs
so bedeutsam sind, als daß sie für manche dieser Schriften besonders typisch sein könn¬
ten. Wenn wir ohne Rücksicht auf unbedeutende, mehr der individuellen Handschrift
einzelner Schreiber als Einflüssen des lokalen Milieus zuzuschreibende Unterschiede
des Duktus aus Kirchners Beispielen ein zusammenfassendes Alphabet der deutschen
handschriftlichen Bastarda des 15. Jahrhunderts zusammenstellen (Abb. 294), finden
wir, daß sie sich wirklich nur durch sehr wenige bedeutendere Abweichungen der
Schriftzeichnung von anderen nationalen Kursiven unterscheidet und daß die deutsche
handschriftliche Bastarda in ihrer Gesamtheit durch eine gewisse zeichnerische Nüch¬
ternheit gekennzeichnet ist, obwohl hier eine ganze Reihe von Varianten einzelner
Buchstaben vorkommt. Die Differenzen der Zeichnung dieser Varianten sind jedoch
für uns neu. Derartige Ausnahmen stellen hier die bereits erwähnte ungotische Form
des Buchstabens к in der kölnischen Bastarda, die einem я ähnliche Form des r in der
bayerisch-österreichischen Bastarda, die Ligatur sz in der oberrheinischen, schwäbi¬
schen und fränkischen Bastarda und schließlich auch die in Schriften dieser Art seltenen
Serifen oder die gespaltenen Scheitel der Schäfte wie in der bayerisch-österreichischen
und der niederdeutschen Bastarda dar.
schen Bastarden im Buchdruck, wo sie schon in dessen Frühzeit jene Entwicklung der
Schriftformen einleiteten, die in der deutschen Typographie für die weiteren Jahr¬
hunderte fest Fuß fassen sollten. Wenn wir von den Bastarden undatierbarer xylo-
graphischer Blockdrucke absehen, waren die deutschen Druckbastarden ohne Zweifel die
ältesten überhaupt. Bei diesen ältesten Druckbastarden handelte es sich um Schriften,
die wir neben der Textur in den Mainzer Ablaßblättern von 1454 und 1455 vorfinden.
Das 30zeilige Blatt von 1454 (Abb. 301) zeigt die außerordentlich reine Form einer
Bastarda mit scharf abgeschlossenen Langschäften der Buchstaben / und langes и
Formal weniger rein ist die Bastarda des 3izeiligen Blattes von 1455, wo die Schäfte
der genannten Lettern nur geringfügig unter die Fußlinie hinabgezogen werden. Doch
diese beiden frühen Bastarden blieben ziemlich lange vereinzelt und ohne Nachfolge
in den übrigen Zentren des deutschen Buchdrucks. Erst 1472 tauchte eine solche Schrift
in Augsburg auf, wo sich Johannes Bämler eine Bastarda ähnlichen Schnitts anschaffte,
als er nach dem Vorbild Günther Zainers illustrierte Volkslektüre zu drucken begann.
Nach ihm verwendeten auch Hans Schönsperger und andere Drucker in Augsburg,
Köln a. R. und weiteren deutschen Städten eine Bastarda. Die Länge und der Schärfe¬
grad der Unterlängen sind außer kleinen Differenzen der Proportionen des Schrift¬
bildes und der Farbe im wesentlichen Hauptunterscheidungsmerkmale bei der Klas¬
sifizierung dieser frühen deutschen Druckbastarden. So z. B. ist jene, die Hans
Schönsperger 1482 in Augsburg beim Druck des Sachsenspiegels verwendete, dunkel
und rund, während die Bastarda der 1483 in Nürnberg gedruckten Deutschen Bibel
Kobergers mit ihrer weit helleren und schärferen Zeichnung die Fraktur ankündigt.
der Bastarden, die nach ihrer Entstehung am Oberrhein, wo sie auch am häufigsten
verwendet wurden, zur Gruppe der OBERRHEINISCHEN DRUCKBASTARDA
zusammengefaßt werden. 1485 kam bei Peter Schöffer in Mainz (Abb. 302) und bei
Johann Grüninger in Straßburg die zweite und dritte Fassung dieser eigenartigen
Bastarda zur Anwendung. Über eine schöne Schrift dieses Schnitts verfügten später
auch Johann Koelhoff d. Ä. in Köln a. R. und andere Drucker dieser Gegend. Diese
oberrheinischen, von der französischen Bastarda beeinflußten Druckbastarden haben
gewöhnlich wie die oberrheinischen Handschriftenbastarden ein größeres Schriftbild,
das mit ihren breiteren Proportionen und den weniger weit über und unter das innere
Minuskelsystem hinausragenden Zügen zusammenhängt, wobei die Schäfte des b, d,
h, l schleifenförmig abgeschlossen werden. Der Satz dieser Schrift läßt auf der Druck¬
seite eine unruhige Fläche entstehen, die jedoch von gleichmäßig dunkler Färbung
ist und fast keine weißen Horizontalen zwischen den Zeilen aufweist. Zum kleinen
Alphabet gesellen sich der Größe und den Proportionen entsprechende Versalien mit
Haeblers M 44 (Abb. 303). Wie bereits erwähnt, wurden die oberrheinischen Ba-