KURSIVSCHRIFTEN DES GOTISCHEN TYPUS
vier Buchstaben einer ornamentalen Bandtextur, die unter dem eigentlichen Text
dazugezeichnet wurden und auf die wir hier schon zuvor als Beispiel des solchermaßen
orientierten ornamentalen gotischen Schriftschaffens hingewiesen haben. Wenngleich
die böhmische gebrochene Bastarda dieser Handschriften eine verhältnismäßig schmale
Zeichnung aufweist, war das keineswegs ein verbindlicher Standard dieser Schrift.
Nicht weniger oft begegnen wir ihr in einer sehr breiten, aber ebenso scharf gebro¬
chenen Form, wovon wir uns anhand einer ganzen Reihe tschechischer Handschriften
überzeugen können, beispielsweise der sehr schönen und ausgezeichnet geschriebenen
Handschrift der tschechischen Bibel von Pernstejn aus dem Jahre 1471 in der Prager
Universitätsbibliothek (Tafel GIX). Es ist dies bereits eine Schrift von ausgesprochen
kalligraphischem Duktus, aber keineswegs der einzige Typus einer Bastarda der böhmi¬
schen Buchkalligraphie in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.
Zu diesem Zeitpunkt begegnen wir in den anspruchsvolleren tschechischen Hand¬
schriften immer öfter einer stark unterschiedlichen Variante der böhmischen Bastarda,
einer noch feiner ziselierten Form, zu der sie die ehrgeizigen Schreiber vor allem der
kostbaren Kodizes mit ihrer preziösen Kalligraphie heranzüchteten. Sie verfügten
über genügend Zeit, um in Ruhe und ohne Eile das System der Textspalten Zeile für
Zeile mit einer besonders schmalen und scharfen Schrift zu füllen, die vom graphischen
Gesichtspunkt aus als dritte Form der böhmischen Bastarda, die böhmische dornspitzige
Bastarda, angesprochen werden kann. Eigentlich handelt es sich hier wieder um eine
gebrochene Bastarda, aber mit einer sehr schmalen und viel folgerichtiger gebrochenen
Zeichnung, die mit ihren spitzen Dornen, in die ihre Rundzüge ebenso wie die Füße
der meisten Schäfte auslaufen, einzig der dornspitzigen Textur vergleichbar ist (Abb.
282). Die Dekorativität dieser Form der böhmischen Bastarda geht oft noch weiter.
Im kleinen Alphabet werden darüber hinaus alle Schlußzüge bereits ganz konsequent
nach innen durchgebogen, was sich nicht nur auf den Kopf des Buchstabens a bezieht,
sondern auch auf die ähnlich traktierten Buchstaben e, i, m, n, q und s. Damit hängt
dann auch eine gewisse Wellenbewegung aller senkrechten Schäfte zusammen, die
sich in der zweimaligen Biegung des Buchstabens i am meisten bemerkbar macht.
Obwohl diese Schrift ihrem Aussehen nach und vor allem durch die betonte Verti-
kalität ihres Duktus der formalen Textur so nahe steht, ist sie trotzdem auch auf den
ersten Blick eine typisch böhmische Bastarda, vor allem auf Grund der häufigen Ver¬
wendung von Elefantenrüsseln. Bezeichnend ist jedoch, daß wir einer derartigen
böhmischen dornspitzigen Bastarda vor allem in lateinischen liturgischen Kodizes
begegnen, z. B. im Pilsener Missale des Tuchmachers Veit aus dem Jahre 1485 (Tafel
CX). Die ursprünglich für tschechische Buchtexte bestimmte böhmische Bastarda
wurde auf diese Weise auch zu einer Schrift für lateinische Texte, und dies nicht nur
in ihrer Hauptform, sondern auch in den übrigen Schreibmodifikationen. Seit der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gewannen jedoch die gebrochenen und dorn¬
spitzigen Formen der böhmischen Bastarda ein entschiedenes Übergewicht, und sie
blieben in der böhmischen Buchschreibkunst bis ins letzte Viertel des 16. Jahrhunderts
in Gebrauch. Von solcher Art ist die Schrift z. B. noch des Kleinseitner Graduale aus
dem Jahre 1572 und der Lieder des Gotteslobs von 1587.
Wie in Frankreich, aber um neun Jahre früher, als in Böhmen der erste Druck in
der Volkssprache vorbereitet wurde, wählte man zu diesem Zweck keine Schrift des
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