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275. Engrossing, 18. Jahrhundert.
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BÖHMISCHE GOTISCHE KURSIV
siehe die vollendet geschriebene königliche Urkunde Premysl Ottokars II. aus dem
Jahre 1268 (Tafel LXXXIII) -, sondern schon aus dem 12. Jahrhundert erhalten
sind, z. B. die Schrift einer Urkunde des Fürsten Friedrich aus dem Jahre 1189 (Tafel
XCV). Manche Urkunden schon aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts sind
jedoch mit einer stilmäßig nicht weniger reinen Schrift geschrieben, die aber mit der
formalen gotischen Buchminuskel nicht mehr viel gemeinsam hat. So zeigt die Schrift
einer Urkunde des Königs Premysl I. vom August 1217 (Tafel XGVI) bereits einen
unbestreitbar kursiven Charakter, obwohl sie sorgfältig mit einem sehr formalen Duk¬
tus geschrieben ist und obgleich das a manchmal noch in seiner Buchminuskelform
vorkommt. Dessenungeachtet tritt auch dieser Buchstabe hier fakultativ in seiner ein-
bäuchigen Kursivform auf. Eine kursive Form erhalten hier jedoch auch schon das d
und die Buchstaben/und langes s mit ihren Schleifen, j, p, q mit der Krümmung ihrer
Unterlängen, m und n mit ihrem gebogenen Schlußstrich und mit ihrer Gesamtzeich¬
nung auch gewisse M!ajuskeln. Mat Hinblick auf die Zeichnung anderer Buchstaben
und vor allem auf die Anwesenheit der Buchminuskelform des a kann aber die Schrift
dieser Urkunde trotzdem nicht als ausgereifte Kursivschrift gelten, weshalb sie höchstens
als böhmische gotische diplomatische Halbkursiv bezeichnet werden kann, ebenso wie die
Schrift einiger anderer böhmischer Urkunden desselben Zeitabschnitts.
Neben solchen halbkursiv geschriebenen Urkunden verlassen die königliche böhmi¬
sche Kanzlei schon in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts andere, deren Schrift man
vielleicht zu Recht als böhmische gotische diplomatische Kursiv einstufen kann. Der kursive
und außerordentlich stilreife Charakter z. B. der Schrift des königlichen Diploms Pfe-
mysl I. aus dem Jahre 1221 (Tafel XCVII) ist meiner Ansicht nach bereits unbe¬
streitbar, und zwar nicht nur auf Grund des Duktus, sondern auch mit Hinblick auf
die Zeichnung der einzelnen Buchstaben. Dasselbe gilt sodann mit geringen Vorbe¬
halten auch von der kalligraphischeren Schrift der Urkunden Wenzels I. aus den
Jahren 1235 und 1238 (Tafel XCVIII). Obwohl sich die Schriften dieser und ihnen
ähnlicher Urkunden in den Einzelheiten ein wenig unterscheiden, kann man aus
ihnen dennoch merkwürdigerweise ein einheitliches Alphabet zusammenstellen (Abb.
276), in dem das a nur noch mit seiner einbäuchigen Kursivform vertreten ist. Sein
Bauch nimmt bereits stets die gesamte Minuskelhöhe ein, obgleich dieser Buchstabe
mit der geringfügigen Verlängerung seines geneigten Schaftes entfernt an seinen Buch¬
prototyp erinnert. Das d ist immer mit der kühn geschwungenen Schleife versehen, die
allerdings manchmal noch nicht geschlossen wird. Die Schäfte des f und des langen
s werden oben und unten zu Kurven oder Schleifen gebogen. Ähnlich auch die Unter¬
längen der Buchstaben g, h, j, p, q, x, y. Nicht mit Schleifen abgeschlossen werden
jedoch die Oberlängen des h, k, l, was offensichtlich ein Überbleibsel der diploma¬
tischen Schreibtradition darstellt. Das g hat manchmal auch eine Form mit offenem
unterem Bauch, das e wird als interessante kursive Abbreviatur mit nicht ganz ge¬
schlossener Schlinge geschrieben. Das r zeigt mehrere Formen, deren graphisch in¬
teressanteste jene mit Schleife unter der Fußlinie ist. Graphisch interessant ist auch
die Form des w. Im übrigen lenken im kleinen Alphabet die Buchstaben m, n mit den
Kurven ihrer Schlußzüge unsere Aufmerksamkeit auf sich. Das große Alphabet dieser
Kursiv ist einerseits aus vergrößerten Minuskelformen, andererseits aus den uns be¬
reits bekannten typischen Varianten der gotischen Majuskel zusammengestellt.
Zu einer in Stil und graphischer Auffassung vollendeten und territorial eigenartigen
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