KURSIVSCHRIFTEN DES GOTISCHEN TYPUS
dieser gespaltenen Schäfte umfaßt manchmal den ganzen Buchstaben, wie etwa beim
h. Das b ist außerdem oft in einer Form mit verdoppeltem Schaft vertreten. Durch
die Verdoppelung des Strichs haben sich charakteristische, bis über die mittlere Mi¬
nuskelhöhe hinausreichende Schleifen der nach unten verlängerten Schäfte des/und
des langen í gebildet. Besonders bemerkenswert in dieser ebenso wie in anderen frühen
englischen gotischen Kursiven ist der Buchstabe а, der hier in seiner zweibäuchigen
Form vertreten ist. Charakteristisch geformt ist auch das c, das sich nur durch die
leichte Verlängerung des Schaftes und des Querstrichs vom t unterscheidet. Die
¿-Schlinge ist in der Regel offen, das g in kleinen Dimensionen gezeichnet und die
Schäfte des m und n werden in einem Zug geschrieben, der auch unten rund ansetzt.
Seine alte Form zeigt das r, das mit der Spitze der Gabelung seiner Schriftzeichnung
unter die Fußlinie hinabgezogen wird und an das v oder lange j anderer Alphabete
erinnert. Eine interessante Zeichnung mit unten geschlossenem Bauch hat manchmal
der Buchstabe x. Graphisch neu ist hier auch die zeichnerische Kürzung des Die
official book-hand bildet in der Textzeile einen Mäander dicht aneinander anschlie¬
ßender Buchstaben, der nur selten durch sehr komplizierte Majuskeln unterbrochen
wird, was zwar nicht ohne einen gewissen graphischen Reiz ist, aber die Lesbarkeit
noch weiter verschlechtert.
Viele Merkmale dieser Kursiv, die später den Namen CHANCERY HAND erhielt,
blieben auch im 14. und 15. Jahrhundert in Gebrauch und waren typisch auch für
schriftliche Dokumente privaten Charakters. In der königlichen Kanzlei büßte diese
interessante, nunmehr aber bereits eckigere und spitzere Kursiv infolge des Manie¬
rismus der Schreiber immer mehr ihre Lesbarkeit ein, obwohl ihre Zeichnung in
mancher Hinsicht noch vereinfacht wurde. Als besonders dankbare Schreibform zog
sie natürlich die Aufmerksamkeit der professionellen Kalligraphen auf sich, und diese
vergaßen nie, die chancery hand in ihre Sammelwerke einzureihen. So verfuhren auch
Beauchesne und Baildon in ihrer Sammlung aus dem Jahre 1571, des ältesten engli¬
schen Kalligraphiehandbuchs überhaupt, wo sie diese Skript mit einer ungewöhnlich
gut lesbaren, wenn auch traditionell gedrängten Zeichnung präsentieren. Nach dieser
Quelle beurteilt, hat sich das Alphabet der chancery hand des 16. Jahrhunderts (Abb.
267) bereits beträchtlich von seinem Prototyp aus dem 13. Jahrhundert entfernt. Die
Schäfte des b, h, l sind nicht mehr gespalten, die Schleifen des/und des langen s
verschwunden. Hingegen hat das a weiterhin seine doppelbäuchige Form und das
с ist immer noch kaum vom t zu unterscheiden. Außer den nach unten gebogenen
Zierbögen des/, k, r stimmen die übrigen Buchstaben in der Zeichnung mit den go¬
tischen Kursiven auf dem europäischen Kontinent überein, was im wesentlichen auch
für das entsprechende große Alphabet zutrifft. Trotz all ihrer eigenen Mängel und der
zunehmenden Vorherrschaft einer Kursiv des neuen Stiltypus blieb die Skript chan¬
cery hand bis zum Ende des 18. Jahrhunderts sowohl in der königlichen Kanzlei als
auch im Repertoire der Kalligraphen lebendig, wie es ein Beispiel in der Sammlung
The Universal Penman, die im Jahre 174З von George Bickham herausgegeben wurde,
beweist. In seinem Alphabet dieser Kursiv zeugt jedoch nur noch die charakteristische
Form des с von der Verwandtschaft mit der alten Skript official book-hand, denn alle
übrigen Buchstaben einschließlich des einbäuchigen a sind hier mit der geläufigen
zeitgenössischen Zeichnung der kontinentalen Kursiven des gotischen Typus vertreten.
Eine andere offizielle englische Kanzleischrift des gotischen Typus war die Kursiv
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266. Official book-hand, 13. Jahrhundert.
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