KURSIVSCHRIFTEN DES GOTISCHEN TYPUS
rische Kuriosität erscheinen. Inzwischen breitete sich die ursprüngliche französische
Druckbastarda auch in andere Landstriche Europas aus ; man verwendete sie in Genf,
in Antwerpen und im elsässischen Kirchheim, wo der in Lyon ausgelernte Marcus
Reinhard seit 1490 mit dieser Schrift lateinische Stundenbücher und auch Traktate
in deutscher Sprache druckte.
In den burgundischen Provinzen der Niederlande war gleichzeitig die sog. burgun-
dische Bastarda in Gebrauch, eine Lokalversion der französischen Bastarda mit stärke¬
rem und schwererem schmalem oder breitem Duktus und nur geringfügig unter die
Fußlinie verlängerten Schäften des/und des langen s. In ihrer handschriftlichen Form
war sie eine Schrift der schönen Stundenbücher und seltenen Kodizes aus dem Wir¬
kungskreis der am herzoglich burgundischen Hof tätigen Miniaturistengruppe ge¬
wesen, die sich um David Aubert, den allseitig gebildeten Bibliothekar des Herzogs
Philipp scharte (Tafel LXXXVI). Hauptzentrum dieser Schule der Buchkalligraphie
und -malerei war Brügge, das Venedig des Nordens. Aus dieser burgundischen Modi¬
fikation der lettre bâtarde, deren Ursprung und Entfaltung David Aubert unmittelbar
beeinflußt haben soll, entstand auch jene flämische Druckbastarda, mit der etwa seit
I475 Collard Mansion in Brügge druckte. Sein erster datierter Druck stammt jedoch
aus dem Jahre 1476. Collard Mansions Bastarda ist eine offensichtliche Kopie der
handschriftlichen Bastarda David Auberts, die allerdings den Stempel der Persönlich¬
keit Collards und seiner primitiven Gewerbetechnik trägt. Im übrigen ist diese Bastarda
historisch außerordentlich wichtig, nicht nur weil sie die Anfänge des Buchdrucks in
den Niederlanden kennzeichnet, sondern wegen ihrer großen Bedeutung für die An¬
fänge der Entwicklung des Buchdrucks und der Druckschrift in England. Mit einer
Bastarda, allerdings einer solchen oberrheinischen Schnitts, druckte in den Nieder¬
landen noch Johann Veldener in Löwen. Im Jahre 1475 schaffte er sich eine weitere,
schon von den niederländischen Schriften beeinflußte Bastarda und später noch dazu
eine verkleinerte Replik der Bastarda des Collard Mansion an, die er nach Utrecht
mitnahm, als er seinen Wirkungskreis dahin verlegte. Eine burgundische Bastarda
besaß auch Jean Brito, aber einem breiteren Erfolg dieser Schrift stand die Vorliebe
für die Textur im Wege, deren Allgemeingeltung in den Niederlanden wir bereits
erwähnt haben (Hessel).
Inzwischen entwickelte sich die französische handschriftliche Kursiv im gleichen
gotischen Geist auch im 16. Jahrhundert weiter, als der französische Buchdruck längst
von Renaissanceformen der Druckschrift beherrscht wurde. Bei diesen gedruckten und
handschriftlichen Schriften der Renaissance vergaßen die Franzosen jedoch nie, daß
sie aus Italien stammten, und sie betrachteten sie daher als fremd und unfranzösisch.
Die einzige wahrhaft französische Schrift, LETTRE FRANÇOYSE, war ihnen die
geläufige Kursiv des gotischen Typus, die sich aus der lettre bâtarde entwickelte, deren
Duktus aber in vielem dem Einfluß des neuen Stilgefühls dieser Zeit unterlag. Als
lettre françoyse bezeichnete man auch verschiedene Versionen der gebräuchlichen
französischen Skript, wie sie die ersten Sammlungen französischer und ausländischer
Kalligraphen des 16. Jahrhunderts enthalten. Da der erste uns bekannte französische
Sammelband dieser Art jedoch erst aus dem Jahre 1561 stammt, müssen wir uns mit
dem Beispiel einer französischen geläufigen Kursiv aus der Zeit vor der Mitte des
16. Jahrhunderts begnügen, wie es uns La Escripture Françoyse currant in der Samm¬
lung Schatzkammer der Schreibkunst von Caspar Neff, herausgegeben 1543 in Köln
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243. Chroniques de France. Antoine Vérard, 149З•