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237. Kalligraphische Rotunda. W. Fugger, 1333.
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GOTISCHE GITTERSCHRIFT
wir wenigstens eines ausgewählt haben, ein allerdings besonders schönes Beispiel
zweier Seiten eines im Holzschnitt reproduzierten Alphabets in seiner Sammlung
Recopilación subtilissima yon 1548, das die Meisterschaft spanischen Schriftschaffens
besonders anschaulich vor Augen führt (Abb. 235, 236). Die Rotunda hielt sich das
ganze 16. Jahrhundert lang auf dem Ehrenplatz der spanisch-portugiesischen Kalli¬
graphie, und auch später vergaß man sie nicht. Ihre musterhaften Vorlagen bringt
nicht nur Lucas im Jahre 1577, sondern auch Andrade führt sie noch in einem schönen
Beispiel mit Majuskeln in der Lissaboner Ausgabe seiner Sammlung aus dem Jahre
1721.
In den kalligraphischen Mustersammlungen verhältnismäßig schwach vertreten ist
die ornamentale Rotunda, was vor allem bei den italienischen Kalligraphen überrascht,
die bekanntlich den ornamentalen Varianten der fremden Textur so viel Sorgfalt und
Raum widmeten. Bemerkenswert ist auch die maßvolle Zurückhaltung, mit der sie
meist bei der dekorativen Behandlung der Rotunda zuwegegingen, denn sie beschränk¬
ten sich dabei in der Regel auf ihre Ausführung in Umrißlinien mit schwach ange¬
deutetem Schatten. So beschaffen ist z. B. jene lettera moderna, die Palatino in sein
Libro nel qual s’insegna a scrivere, römische Ausgabe von 1545, emreihte.
Den Duktus der Rotunda verunreinigten, wie hier bereits gesagt, schon im 15. Jahr¬
hundert Einflüsse der Buchschrift der Renaissance, was zur Entstehung einer langen
Reihe gemischter Schriften führte. In der Fachliteratur, die sich speziell mit Geschichts¬
problemen der gotischen Schriften befaßt, werden den gotischen Formalschriften daher
manchmal auch diese Übergangsschriften zugeordnet, in denen man neben gotischen,
d. h. vor allem Rotundaelementen auch schon mehr oder weniger Renaissanceformen
vorfindet. Es ist zwar richtig, daß Schriften dieser Art noch zur Zeit der Hochblüte
der gotischen Schriften auftauchten, aber meist handelt es sich um Formen, in denen
die Renaissancemerkmale weitgehend und entschieden über die gotischen vorherr¬
schen, die übrigens manchmal kaum feststellbar sind. Ich glaube daher, daß es im
Interesse einer besseren Überschau der Schriftentwicklung dieser Epoche vorteilhafter
sein wird, mit den erwähnten Formen die Übersicht der Schriften einzuleiten, die
ihnen formal viel näher stehen und jenem Teil dieses Buches zuzuordnen sind, der die
Schriften des Renaissancetypus behandelt.
Unter den gotischen Schriften finden sich aber auch gemischte Schriften von anderer
Art, die wir größtenteils im folgenden Kapitel über die gotischen und spätgotischen
Kursivschriften kennenlernen werden. In die Gruppe dieser Schriften können wir
jedoch keineswegs eine gemischte Form einreihen, die zwar nur in Urkunden vor¬
kommt, aber mit Konstruktion und Duktus zweifellos noch zu den Modifikationen
der formalen gotischen Buchminuskel gehört. Es handelt sich um die gotische Gitter¬
schrift, die gotische littera oblongata, eine Analogie der uns bereits bekannten urkund¬
lichen Gitterschrift der fränkischen Reichskanzlei aus dem 9. und den folgenden Jahr¬
hunderten. Mit diesem Prototyp hat seine hypergotisierte gotische Variante die
charakteristischen Hauptmerkmale gemeinsam, die übertriebene Vertikalität und
Schmalheit des Schriftbildes, und vor allem die weniger als minimale Lesbarkeit der
mageren und in regelmäßigem Rhythmus zusammengepferchten, aber einzeln ge¬
schriebenen Buchstaben. Von ihrer Vorläuferin, die trotz all dem nicht frei von ge¬
wissen Elementen einer Kursivschrift war, unterscheidet sich die gotische Gitterschn t
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