GOTISCHE BUCHMINUSKEL
Titeln und Überschriften ist die Rotunda im spanischen Buchdruck bis in die Mitte
des 16. Jahrhunderts geläufig, um in den Texten bereits Schriften des Renaissance¬
typus Platz zu machen.
Länger, wenn auch nur gelegentlich, blieb die Rotunda neben der Lettersnider-
Textur in den spanischen Niederlanden in Gebrauch, wo sie Johann von Paderborn
zusammen mit seiner nicht allzu geglückten Schrift des Renaissancetypus eingeführt
hatte. Die Rotunda Paderborns verfügte in dieser ersten Version übrigens über keinen
besonders reinen Schnitt, und auch die zweite, verbesserte, die er in Löwen verwen¬
dete, kann nur als durchschnittlich bezeichnet werden. In anderen niederländischen
Städten kam später eine schon sehr reine Rotundaform vor, die fast ausschließlich
zum Drucken lateinischer Werke diente. Auch in Antwerpen druckte man die Ro¬
tunda, und noch Plantin besaß einen Grad einer schönen Rotunda, die in seinem
Musterverzeichnis aus dem Jahre 1567 unter dem bezeichnenden Namen Canon
d’Espagne enthalten ist.
Guillaume Le Roy, der erste Lyoner Drucker, begann seine Tätigkeit zwar mit
einer Druckreplik der heimischen handschriftlichen Textur, wechselte aber schon 1477
zu einer Rotunda vom Schnitt des Vindelino da Spira über. In den folgenden Jahren
legten sich auch weitere Lyoner Drucker - Martin Huss, Nicolas Philippi und Marcus
Reinhard - eigene Rotundaschriften zu, so daß diese Schrift seit der Zeit in der Pro¬
duktion der Lyoner Drucker ein entscheidendes Übergewicht hatte. Doch es handelte
sich oft um eine von der Kursiv beeinflußte Rotunda, was insbesondere in der Ver¬
längerung der Schäfte des / und des langen s unter die Fußlinie zum Ausdruck kam
(Abb. 229). In Paris, dem zweiten Zentrum des französischen Buchdrucks, trat eine
Rotunda vom Schnitt der Jensonschen im Jahre 1479 in zwei Brevieren in Erscheinung,
die wahrscheinlich beide bei Pasquier Bonhomme gedruckt wurden. Fast gleichzeitig
verwendeten auch Guillaume Lefèvre und andere Pariser Drucker eine Rotunda, die
in ihren Drucken bis 1500 in Gebrauch bleibt (Hessel). Die französische Rotunda war
bis zur Generation des Robert Estienne eine geläufige Textschrift für alle lateinischen
Druckwerke und bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts für juristische Texte. Unter den
etwa 700 französischen Textschriften des 15. Jahrhunderts herrscht die Rotunda in
Lyon vor, während in Paris die Textur und vor allem die Buchversionen der heimi¬
schen gotischen Kursiv das Übergewicht über die Rotunda haben.
In Deutschland kommt eine Druckrotunda von ungefähr venezianischem Schnitt
erstmalig im Jahre 1472 bei Koelhoff in Köln a. R. vor. Anfangs war das Vordringen
der Rotunda in Deutschland mit Schwierigkeiten verbunden, aber bis zum Ende des
15. Jahrhunderts wurde sie zur allgemein verwendeten Textschrift und zusammen mit
der Textur auch zur Auszeichnungsschrift. In Rotunda setzte man vor allem latei¬
nische theologische, juristische und scholastische Texte. Diese Verbreitung der Ro¬
tunda in Deutschland ist eine auf den ersten Blick ziemlich überraschende Tatsache,
wenn wir in Betracht ziehen, daß es sich um eine Schrift fremden Ursprungs handelte,
die sich in das Land eingeschlichen hatte, wo die Wiege des europäischen Buchdrucks
stand. Den Erfolg dieser importierten fremdländischen Schrift in der deutschen Buch¬
produktion kann man jedoch leicht durch ihre typographischen Vorzüge erklären, vor
allem durch ihre gute Lesbarkeit auch bei kleineren Schriftdimensionen. In Basel
wurde die Rotunda schon im Jahre 1478 von Johann Amerbach eingeführt, der aus
Venedig eine bemerkenswerte Garnitur dieser Schrift mitgebracht hatte (Abb. 230).
404
8 lanös je me tais 8 ее q locuppe les аіШгез feignranes
«¿¡nul oicieulr fine wul02ôt auofr •cöfonoeles límites*
ne fuis pas iuftice £t les cbofes De Dieu mefpafent • ¿¡lie
DoncOjs felicite effe De feullemët auoit le nom De top i De
cefati oe mefptifiet ce ql appa rtiêt a loffiteou ropaulme
cellup eftte oeftroaeut je fuis contraint oe reDuire ame
торге le mot oanoaeu Defpaigne lequel fouuêteffoisa
efte Oift entre les fcen ateurs ?lu trois bons tops apptiêt
ІЗ gouuemet enfansi famile ÎDifoit auffi q beuoit poztet
le bñ publiai affin qui cogneu le bfî cômnn a lui nô eftte
2>pte mais au peuple Юе recfpief Dtfoit Les tops nô eftte
efleuesa gloitei^onneur tant còrnea rotei Dtligêce ia
fouftenit mtferes i petti) en telle facon éjfibfl eftoit côfi*
Deteleur eftat ong c(>afcü lerefuferoit £at il ne font pas
pus ne efleues en Dignité po' repofet nô a (comte mais
22g. Roderick de Jamora. N. Philippi und M. Reinhard, 1482.
abct>deêfgb(ttjlmit
opqnefltcuúm:y5
230. Druckrotunda des 15. Jahrhunderts. J. Amerbach, 14J8.