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226. Rotunda, 14.-15. Jahrhundert.
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ROTUNDA
böhmischen Handschrift, dem Olmützer Evangeliar aus dem Jahre 1421 (Tafel CVIII).
Aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ist sogar ein ganzes Alphabet einer auf
diese Weise ornamentierten Textur erhalten (Abb. 225), das sich unter den Zeichnun¬
gen des Malers Pisanello (um 1397-1455) fand. Es ist dies also wahrscheinlich das
älteste Beispiel des Alphabets einer ornamentalen Imitationsschrift, wie wir auf solche
Weise inspirierte Schriften, denen wir noch sehr oft in der weiteren Entwicklung der
Lateinschrift begegnen werden, eigentlich nennen sollten.
Die zweite Hochform der gotischen Buchminuskel, die sich nach dem völligen Sieg
der gotischen Schriften im dreizehnten Jahrhundert während des 14. entwickelte, ist
eine italienische Parallelform der Textur, die sog. ROTUNDA. Dem Ursprung nach
ist sie also eine nationale italienische Schrift, aber keineswegs eine territorial nur auf
Italien beschränkte, denn die Rotunda wurde schon in der ersten Hälfte des 14. Jahr¬
hunderts gleichzeitig in Südfrankreich und vor allem in Spanien heimisch und gewann
dann, im Buchdruck verbreitet, eine fast universale Geltung, obwohl diese insgesamt
und auch in Italien nicht von langer Dauer war. Mit dem Namen Rotunda wurde
und wird manchmal auch heute noch fälschlich die runde romanische oder huma¬
nistische Minuskel bezeichnet, was die ohnehin nicht allzu genaue und stabilisierte
Terminologie im Bereich der Schriftkunde oft überflüssig verwirrt. In der modernen
paläographischen Literatur ist der Name Rotunda bereits ausschließlich dieser aus¬
geprägten, formal umrissenen Gruppe gotischer Buchschriften Vorbehalten, und in
diesem Sinne war die Bezeichnung schon den mittelalterlichen Schreibern bekannt
und seit Beginn des 15. Jahrhunderts ganz geläufig. In Italien wurde die Rotunda
manchmal auch littera bononiensis genannt, weil sie besonders häufig in juristischen
Handschriftkodizes der Universität von Bologna vorkam. Die italienischen Kalligra¬
phen des 16. Jahrhunderts nannten sie lettera moderna, vielleicht im Gegensatz zur
Renaissancereplik der karolingischen Minuskel, bei der man irrtümlich eine direkte
antike Provenienz voraussetzte. Doch darin herrschte anscheinend keine völlige Ein¬
heit, denn Palatino bezeichnet in seiner Sammlung aus dem Jahre 1548 als lettera
moderna eine ornamentale lineare - heute würden wir sagen lichte - Rotunda,
während er ihre Buchfassung lettera formata nennt, und diese Bezeichnung kommt auch
in der vielleicht verballhornten Form lettera fermata vor. Andernorts nannte man die
Rotunda mit verschiedenen anderen Namen, z. B. redonda, littera tonda, Rundgotisch,
round gothic letter u. ä. Die Rotunda erwähnt in seinem Handbuch aus dem Jahre 1553
auch der deutsche Kalligraph Wolfgang Fugger, der sie dort folgendermaßen cha¬
rakterisiert: Die Rotund ist eine sehr schöne und lesliche Schrift, ist vor vielen Jahren
sehr gemein und gebräuchlich gewesen bei den Italienern, welche ihre Meßbücher
mit getruckt haben. Die Ordensleut und andere mehr, welche pflegten die Bücher
zu schreiben (ehe die hochlöblich Kunst des Buchtruckens erfunden wardt) haben sich
dieser Schrift viel gebraucht und geflissen.
Die Rotunda entwickelte sich ähnlich wie die Textur aus der frügotischen Minuskel.
In Italien gedieh die gotische Kunst jedoch nie oder nur selten zu einer so ausgeprägten
Stilform wie nördlich der Alpen. Das Gefühl für ein klassisches Gleichgewicht der
Proportionen, das das Lebensmilieu der Italiener erfüllte, sträubte sich gegen die
Übertreibung einer Komponente der Konstruktion auf Kosten der anderen. Darum
wurde die Textur in Italien nie heimisch, obwohl zahlreiche italienische Kalligraphen
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