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203. Gotische Buchminuskel, frühe Form des 13. Jahrhunderts.
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TEXTUR
um mit der Entfernung vom Zentrum der Entfaltung des gotischen Stils den Prototyp
immer weniger getreu nachzubilden. Am Ausgang des 13. Jahrhunderts beginnt sich
der bis dahin im ganzen einheitliche Entwicklungsweg der gotischen Minuskel in zwei
Hauptarme ausgereifter Formen zu spalten, auf deren unterschiedlichen Charakter
vor allem die Eigenart des Milieus Einfluß nahm. Doch so wie die gotische Architektur
in jedem Land gewisse Sondermerkmale aufweist, kann man auch in den Hauptformen
der gotischen Schrift zahlreiche weitere nationale oder territoriale Modifikationen der
Schriftzeichnung erkennen, die in groben Umrissen z. B. in Deutschland, England,
Böhmen und Polen durch eine größere Dichte und einen schärferen Duktus gekenn¬
zeichnet sind als in Frankreich, Spanien und insbesondere Italien.
Für die Verhältnisse in Böhmen ist charakteristisch, daß die heimischen Illumina¬
toren bei der Ausgestaltung der Bücher noch das ganze 13. Jahrhundert lang an der
byzantinisch bestimmten spätromanischen Tradition festhielten, während sich die
Schreiber solcher böhmischer Handschriften schon früh neue Stilformen der Schrift
zu eigen machten. So haben wir z. B. im Psalter von Ostrov aus der Zeit um 1200 in
der Bibliothek des Prager Domkapitels (Tafel LXIX), obwohl sein Buchschmuck und
die Miniaturen ein evidentes und schönes Beispiel der romanischen Buchmalerei
darstellen, das nicht weniger schöne Muster einer gotischen Minuskel. Diese Tatsache
könnte mit einer ganzen Reihe von Beispielen dokumentiert werden, wenn nicht gar
mit fast der gesamten böhmischen Buchproduktion bis zum Ende des 13. Jahrhun¬
derts, wie sie sich aus dieser Zeit erhalten hat (Tafel LXX). Anderseits begegnen wir
noch im 14. Jahrhundert in den bömischen Buchhandschriften Formen, die man als
frühe gotische Minuskel bezeichnen kann.
Während des 14. Jahrhunderts gediehen beide Entwicklungszweige der gotischen
Buchschrift, geographisch voneinander geschieden durch den Alpenkamm, zu ihrem
eigenen ausgeprägten kalligraphischen Schrifttypus, und beide Typen stellen Hoch¬
formen der gotischen Minuskel dar, die Lieftienck als littera textualis formata kennzeichnet.
In den Ländern nördlich der Alpen steigerte man das Gotische der Schriftzeichnung
in ihrer Standardbuchform, die in den älteren paläographischen Handbüchern nach
ihrer in der Spätzeit fast ausschließlichen Verwendung in lateinischen liturgischen
Büchern Missalschrift genannt wurde, bis zum Äußersten. Heute hat sich für sie in der
Fachliteratur allgemein der Name TEXTUR eingelebt, der viel älteren Ursprungs ist.
Wattenbach (Das Schriftwesen im Mittelalter, 1896) zufolge kommt diese Bezeichnung
schon in schriftlichen Quellen aus dem 12. Jahrhundert vor. Ihr Ursprung soll von
der graphischen Wirkung dieser Schrift herkommen, von der dekorativen Ordnung
der mit ihr beschriebenen Fläche, die mit dem gleich- und regelmäßigen Rhythmus
des Aufzugs dicker Schäfte und dem Schiffchen der gerade ausgerichteten Zeilen -
sie sind nur kaum merklich durch kurze Verlängerungen der Schäfte der Buchstaben
К f f g> К к, /, p, q und des langen s belebt - sowie mit dem krassen Gegensatz der
schwarzen Farbe der Schriftzeichnung und der weißen des Grundes auf den ersten
Blick an ein Gewebe erinnert. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts verwendet der
Kalligraph Johann von Hagen aus Bodenwerder für diese Schrift in seinem Schreib¬
musterblatt dieselbe Bezeichnung (Tafel LXXI). Wolfgang Fugger, ein anderer deut¬
scher Kalligraph, erwähnt in seinem Buch aus dem Jahre 1553 ‘Ein nützlich und
wolgegrundt Formular Manncherley schöner schriefften Als Teutscher, Lateinischer,
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