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i8ß. Gotische Majuskel, ältere Buchform, 12.-14. Jahrhundert.
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GOTISCHE UNZIALE
Renaissancemajuskel ersetzt wurde. Doch wie bei der gotischen Inschriftenmajuskel
gingen auch der gotischen Buchmajuskel verschiedene romanisch-gotische gemischte
Schriften voraus, unter denen jedoch sehr früh, schon im 12. Jahrhundert, gotische
Formen das Übergewicht gewannen. Dessenungeachtet blieben die Schreibtraditionen
der romanischen Stilepoche sehr lange lebendig, zumindest in den Initialen, deren
Schöpfer ihre Vorbilder vorzugsweise in der Kalligraphie der Handschriften vom
Ende des 10. und aus dem 11. Jahrhundert fanden. Das gilt nicht nur für die Früh¬
gotik, wie z. B. das berühmte böhmische Antiphonar von Sedlec aus der Mitte des
13- Jahrhunderts (Abb. 184) beweist, eine Buchhandschrift, in deren Initialen ver¬
schiedene gemischte romanisch-gotische Formen Vorkommen, so etwa die Varianten
der Buchstaben H, M, T, sondern auch für Initialen der Handschriften und sogar
auch gedruckten Bücher bis ins 15. Jahrhundert. Derartige Initialen sind allerdings
vielmehr Beispiele eines ornamentalen Schriftschaffens, in dem ähnliche archaisierende
Tendenzen nie vereinzelt dastehen. Im übrigen machte sich der Einfluß des neuen
Stilgefühls schon in den frühgotischen Handschriften geltend, und zwar mit gotischen
Formen wenigstens einiger Buchstaben in sehr heterogenen Gemischen von Alphabe¬
ten verschiedenen Ursprungs. Diese Mischung verschiedenartiger Stilelemente der
Schriftzeichnung war manchmal in ein und derselben Handschrift außerordentlich
bunt und wurde oft beabsichtigt und ausgiebig verwendet, vor allem bei der damals
sehr beliebten monogrammartigen graphischen Gestaltung der Überschriftzeilen, wie
sie z. B. die Handschriftenrolle der Gebete zum Gedächtnis des Todes des hl. Vitalis
zeigt, die schon um das 12. Jahrhundert in Frankreich geschrieben wurde (Abb. 183).
In dieser zwar kuriosen, aber graphisch dennoch sehr interessanten dekorativen Über¬
schrift mit ganzen Buchstabengruppen, die zu zwei Reihen von oft außerordentlich
geglückten Monogrammen verbunden sind, kommen manche Buchstaben sowohl in
der quadratischen Kapitale oder Unziale als auch in Formen vor, die für das gotische
Schriftschaffen typisch sind. Ähnliche gemischte Übergangsschriften wurden sehr häu¬
fig nicht nur auch in weniger eigenartig konzipierten dekorativen Überschriften dieser
Zeit, sondern noch sehr lange danach verwendet, als die gotische Buchmajuskel bereits
längst geläufig war, zumindest in ihrer älteren Form.
Da die ältere Form der gotischen Inschriftenmajuskel bekanntlich nicht mehr war
als eine epigraphische Replik der Buchschrift, ist es natürlich, daß dieser Prototyp,
die gotische Unziale oder ältere Form der gotischen Buchmajuskel, sich in seinem Alphabet
(Abb. 185) nicht allzusehr von seinem Derivat unterscheiden konnte. Wir finden hier
dieselben im wesentlichen unzialartigen Buchstaben C, D, E, H und M sowie eine
frühgotische Konstruktion des A, N, T und U. Nur die Unzialbogen des M bleiben
unten durch einen dünnen, in der Regel leicht gekrümmten Verbindungsstrich —
ähnlich den auf gleiche Weise geschlossenen Bogen des С und E - mit dem Schaft
verbunden. Neben dieser und der älteren Form des M mit nach außen gebogenen
Enden der Unzialbogen kommt noch eine weitere, bereits völlig gotische Form vor,
die durch Verbindung des linken Unzialbogens mit dem mittleren Balken in Gestalt
einer O-förmigen Ellipse zustande kommt. Das A ist hier nur durch die Form mit
senkrechtem Schaft vertreten, und ausschließlich in Unzialkonstruktion werden das
E und das H verwendet. Übergewicht gewinnt nunmehr auch die Unzialzeichnung
des D, das N kommt nur noch in seiner Minuskelform und das G ausschließlich in der
gotischen Spiralform vor. Bemerkenswerter als die uns zum Großteil bereits bekannte
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