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144. Halbkursive lateinische Minuskel, 7. Jahrhundert.
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KAROLINGISCHE HALBUNZIALE
rühmten Kalligraphieschule des St.-Martins-Klosters in Tours. Diese schöne karolin¬
gische Halbunziale oder Halbunziale von Tours zeichnet sich durch ihren bemerkenswerten
Adel des Duktus, die breite und gelöste Schriftzeichnung mit maßvollen Proportionen
und ausgeglichenem Strichstärkewechsel aus. Sie wäre eine nahezu vollendete Mi-
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I45• Die Homïlien des hl. Maximus. y. Jahrhundert. Detail.
nuskel, wenn sie nicht - immer noch - den Buchstaben N in seiner typischen Majuskel¬
form enthielte. Auch ein kleines Beispiel aus einer derartigen Handschrift der karo¬
lingischen Epoche, z. B. das Evangeliar aus Prüm, in Tours geschrieben, aus der Zeit
nach 800 (Tafel XLIV), gewährt mit den hohen graphischen Werten seiner hochent¬
wickelten Halbunziale einen besonderen Genuß. Die Buchstaben haben Raum genug,
ihre breite Zeichnung geltend zu machen, und nur ausnahmsweise werden sie mit¬
einander durch Ligaturen verknüpft. Im Alphabet dieser karolingischen Halbunziale
(Abb. 143) stellen wir fest, daß die runden Bäuche der Buchstaben a, b, d, p, q bereits
geschlossen sind. Der Querstrich des e setzt sehr hoch an, so daß er mit dem oberen
Ende der Krümmung ein bezeichnendes Schnäbelchen bildet. Die Kurve der halb-
unzialen Form des g zerbricht und erinnert zusammen mit dem Abstrich am Kopf
des Buchstabens ein wenig an die arabische Ziffer 3. Der zweite Strich des h biegt
sich nach links zurück, ebenso wie der dritte des m. Das lange s ist bereits voll zu jener
Form entwickelt, der wir noch in der Renaissance begegnen. Doch womit sich die
Halbunziale der besseren Handschriften vor allem von der gleichzeitigen Unziale
unterscheidet, das ist die Rückkehr zur natürlicheren und bequemeren Schräglage
der Feder zur Zeilenhorizontale. Von neuem begegnen wir hier also der schrägen
Schattenachse der Rundformen mit aufwärtsführenden Haarstrichen, die sich in ziem¬
lich scharfem Winkel mit den weniger fetten senkrechten Schäften und den verhältnis¬
mäßig starken Horizontalen verbinden. Diese Federhaltung verleiht auch den Serifen
ihre charakteristische Minuskelform. In Hinkunft werden sich diese auf eine runde
oder dreieckige Linksbiegung des Strichs am Kopf und rechts am Fuß des Schaftes
beschränken. Ähnlich abgeschlossen sind unten auch die langen Schäfte, die sich ge¬
wöhnlich oben keulenförmig verbreitern, obwohl auch oben mit Serifen abgeschlos-
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