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124. Klassische römische Urkundenkursiv, 1. Jahrhundert.
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KLASSISCHE RÖMISCHE KURSIV
Rückwärtskrümmung gerade gezogen und nur unmerklich zur Horizontalen geneigt.
Das D ist gleichfalls in einem Zug geschrieben, was manchmal auch beim H der Fall
ist. Beim R verläuft der zweite Strich in Horizontallage, ebenso wie der zweite Zug
des Buchstabens X. Im Ganzen der Textseite wirkt diese Schrift kontrastlos und nur
beiläufig wenigstens nach der Fußlinie ausgerichtet.
125. Wandinschrift aus der feit vor yg. Pompeji.
Die klassische römische Kursiv dieses Typus kommt mit ihrem charakteristischen
Duktus, der vom Schreiben mit der Rohrfeder auf Papyrus abgeleitet ist, sehr oft auch
in Inschriften vor, die in den Kalkbewurf der Mauern von Pompeji eingeritzt wurden.
Zuweilen, wie z. B. bei der Inschrift eines Liebenden aus dem 1. Jahrhundert unserer
Zeitrechnung (Abb. 125), ist die Schrift nicht ganz formrein, sie zeigt beispielweise
eine Form des Buchstabens E, die aus zwei senkrechten Strichen besteht, aber diese
kommt nur fakultativ neben der Grundform vor. Mit den verlängerten Zügen des A,
M und N gesellt sich auch eine solche Schrift nichtsdestoweniger zur vorgenannten
Urkundenkursiv. Graffiti dieser Art sind ziemlich zahlreich und manchmal verhältnis¬
mäßig sorgfältig, viel öfter aber unordentlich und stets mit einer dünnen, undifferen¬
zierten Linie geschrieben. Ich halte es nicht für notwendig, hier weitere Beispiele zu
bringen, da sie im Corpus Inscriptionum Latinarum in genügender Auswahl vor¬
handen sind.
Das epigraphische Material enthält jedoch noch andere Denkmäler von einer für
das Studium der römischen Kursiv ohne Zweifel weit größeren Bedeutung. Es handelt
sich um die hier bereits erwähnten siebenbürgischen Wachstäfelchen aus den Jahren
131-167. Sie sind vor allem dadurch interessant, daß sie Gelegenheit zur Feststellung
bieten, wie die römische Kursiv nach hundertjähriger Entwicklung aus den Schrift¬
formen der pompejanischen Wachstäfelchen und Wandinschriften ausgesehen haben
mochte. Bei der Betrachtung der Übersichtstabelle verschiedener Varianten der ein¬
zelnen Buchstaben des dakischen Kursivalphabets (Abb. 126) können wir uns jedoch
auf den ersten Blick nicht des Eindrucks erwehren, daß in der Richtung zur weiteren
Stabilisierung der Schriftzeichnung kein besonderer Fortschritt erzielt wurde. Va¬
rianten der Zeichnung ein und desselben Buchstabens kommen immer noch in be¬
achtlicher Vielzahl vor, und sie unterscheiden sich hier mehr, dort weniger vonein¬
ander. Der Buchstabe E ist noch oft in Form zweier senkrechter Striche vertreten, aber
vier solchen Vertikalen mit der Bedeutung des M begegnen wir hier nicht mehr. Nicht
nur dieses, sondern auch das N und sehr oft das A verraten eine Zugehörigkeit der
Zeichnung zu den kursiven Analogien der klassischen Kapitale. Die Zahl der in ihrer
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