Die Prismaausführung
Die Prismaausführung ist durch die gemeißelten Römischen Kapitalschriften angeregt worden. Das
durch Tiefprisma erzeugte schöne Licht- und Schattenspiel trägt zur lebensvollen Wirkung dieser In¬
schriften wesentlich bei. In die Malerei übertragen, ergibt es eine Teilung der Buchstaben in helle und
dunkle Seiten. In früheren Jahren war die Prismaausführung auf Glasschildern sehr beliebt. Die
Schattenseite wurde in dem praktisch dunklen Blankgold, die Lichtseite in dem hell erscheinenden
Mattgold ausgeführt. Diese Ausführung wird in zeitgemäßen Formen eine der schönsten Möglich¬
keiten zur Ausstattung von Glasschildern bleiben. Sie erfordert natürlich ziemlich hohe Kosten- und
stellt an die Geschicklichkeit des Herstellers einige Anforderungen.
Die farbige Prismaausführung sollte stets im Ton bleiben, also Blau in Blau, Rot in Rot usw. Der
Tonunterschied muß so gewählt werden, daß er bei der durchschnittlichen Schauentfernung noch deut¬
lich, aber ohne jede Härte in Erscheinung tritt.
Bei der Anfertigung der Zeichnung wird zunächst die Achsenlinie gezogen (Bild 123, a). Darauf sind
die Verbindungen der Achse mit den Eckpunkten der Kontur herzustellen (b). Dann erfolgt die Aus¬
schattierung. Das Licht wird als von links oben kommend angenommen. Auf Glasschildern kommt
folgerichtig das Tiefprisma zur Anwendung (c), bei aufgemalten Schriften das Hochprisma (d). Früher
wurden die Übergänge in den Rundungen durch Strichelungen vermittelt. Der heutige Geschmack
zieht eine scharfe Trennung vor. Es läßt sich natürlich jede Schrift prismatisch ausbilden, Fraktur¬
schriften sind dazu jedoch weniger geeignet.
Die in den einzelnen Abschnitten besprochenen Ausgestaltungen lassen sich zum Teil miteinander
kombinieren. In der Beschränkung zeigt sich auch hier der Meister.
Bild 123. Die Prismaausführung
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Bildhaft dargestellte Schrift
Allgemeines
Die älteren unter uns kennen noch die Möbelwagen aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg. Es war
damals üblich, die Firma in riesigen Buchstaben aufzumalen, die plastisch gezeichnet und abschat¬
tiert waren. Eine bunte Farbigkeit verstärkte die auffällige Erscheinung noch. Wir haben uns von sol¬
chen groben Effekten abgewendet. Dennoch gibt es in der Werbung Fälle, in denen die Schrift plastisch
und auch perspektivisch darzustellen ist. Der Maler muß auch diese Ausführung beherrschen. Schon
bei der Anfertigung von Entwürfen für Fassadenbeschriftungen, Werbebauten u. ä. wird die perspek¬
tivische Darstellung auch plastischer Schriften erforderlich. Man wird hier oft gefühlsmäßig arbeiten
müssen, da eine Konstruktion zu zeitraubend und umständlich ist. Wenn sich der Maler im
Naturzeichnen übt, was er stets tun sollte, kann er auch die räumliche Erscheinung der Schrift über¬
zeugend wiedergeben. Es kommen jedoch genug Fälle vor, in denen eine genaue Konstruktion erfor¬
derlich ist. Die Kenntnis der wichtigsten perspektivischen Gesetze unterstützt uns auch beim gefühls¬
mäßigen Zeichnen wesentlich. Wir wollen uns hier auf die Konstruktionen beschränken, die in der
Praxis des Schildermalers vorkommen.
Die plastische Schrift
Bei jenen oben erwähnten plastischen Schriften handelt es sich noch nicht um eine perspektivische Dar¬
stellung der Plastik. Diese war vielmehr flächenhaft ausgedrückt. Eigentlich handelt es sich hier noch
um eine dekorative Ausgestaltung. Die Schriftform ist flächig wie jede andere Schrift dargestellt. Die
Kanten der Buchstaben sind parallel geführt. Es ist eine sogenannte „isometrische" Darstellung. Der
Winkel der schrägen Kantenlinien kann mit Rücksicht auf die beabsichtigte Wirkung frei gewählt
werden. Die Zeichnung ist die gleiche wie beim Schatten auf Bild 120, nur daß die Seitenansichten
schattiert sind (Bild 124). Wenn man die Breite der Seitenansichten schematisch genau festlegt, ergibt
sich bei den Schrägen von X, M, A usw. ein unbefriedigendes Bild. An den aufsteigenden Balken
erscheint die Seitenansicht zu breit, an den absteigenden zu schmal. Wir müssen die Breiten etwas
ausgleichen, damit ein gutes Gesamtbild erreicht wird.
Bild 124. Isometrische Darstellung plastischer Schrift
Plastische Schrift in frontaler Perspektive
Wir belassen zunächst die Schrift frontal, wollen aber die Seitenkanten perspektivisch gestalten. Alle
senkrecht zur Bildfläche stehenden Linien müssen hier in ihrer Verlängerung zum Augenpunkt
führen. Diesen können wir in der Höhe beliebig einsetzen. Maßgebend hierfür ist die gewünschte
Wirkung der Schrift im Rahmen des Ganzen. Meist wird der Augenpunkt in die Mitte gesetzt. Er
könnte in geeigneten Fällen auch seitlich liegen, jedoch muß er stets innerhalb der Schriftbreite bleiben.
Stände er außerhalb, dann müßten wir das Auge seitwärts richten. Es ergäbe sich dann eine Uber-
eckansicht, wie sie weiter unten besprochen wird.
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