Die Farbe der Schrift im Innenraum
Bei der Farbenwahl im Innenraum ist in Rechnung zu ziehen, daß alle ton- und farbmildernden
Umstände fast völlig fehlen. Die Einflüsse von Dunst, Nebel usw. sind ausgeschaltet, ebenso der
Schmutz, der vor allem in der Großstadt alle Farben mit einer unschönen Schicht bedeckt. Sehr ein¬
geschränkt sind auch die Veränderungen der Farben und Bindemittel durch optische und chemische
Einflüsse, die den Farbton manchmal mildern, manchmal mißfarbig machen. Alle Farben können und
müssen deshalb von vornherein gedämpfter sein. Da der abgeschlossene Raum konzentrierenden Ein¬
fluß hat und alle Formen deshalb nachhaltiger wirken, ist größere Zurückhaltung zu üben als im
Freien. Dafür müssen alle Abstufungen feiner gegeben werden. Daß die Schriftfarben zum Raum¬
anstrich und zur Einrichtung in Beziehung zu setzen sind, ist dem Maler wohl selbstverständlich. Die
Schrift, die ja nicht nur schmückende oder gliedernde Funktionen hat wie eine Dekoration, sondern in
jedem Falle noch Mittel zur Mitteilung ist, kann dabei immer etwas kräftiger in Ton und Farbe ge¬
halten werden. Der Zweck der Beschriftung gibt hier das Maß an. Es gilt für Farbe und Ton im
übertragenen Sinn dasselbe, was im Abschnitt „Die Lesbarkeit" über die Schriftform gesagt wurde.
Von großem Einfluß ist das künstliche Licht auf die Farbwirkung. Wir wissen vom Theater, wie
die Beleuchtung die Farben verändern kann. In geringerem Maße ist das bei jedem künstlichen Licht
der Fall. In Festsälen, Ausstellungsräumen usw. ist daher auf die Art der Beleuchtung Rücksicht zu
nehmen. Die Farben sind möglichst in der vorgesehenen Beleuchtung anzusetzen.
Die Farbe der Außenbeschriftungen
Im Freien muß die Beschriftung farbkräftiger sein als im Innenraum. Hier hat schon die Atmosphäre
mildernden Einfluß. Größere Entfernungen sind zu überbrücken. Feine Tonunterschiede, wie im Innen¬
raum, sind hier deshalb weniger angebracht. Sie gehen schon durch optische Veränderungen der Far¬
ben und bei Werbeanlagen, die nicht regelmäßig gesäubert werden können, durch Schmutz verloren.
Klare, entschiedene Kontraste sind hier das Richtige.
Die Schilder und Beschriftungen können zum Schmuck unserer Straßen werden. In die meist neutralen
Farben der Häuserfassaden können sie Belebung bringen. Wenn es sich um plastische Buchstaben oder
sonstige direkt auf die Häuserfront gebrachte Schriften handelt, ist eine ausgesprochene Farbe fast
immer das Richtige. Wie schön wirkt auf einer grauen Fassade eine rote oder blaue Schrift! Es wird
nur meist versäumt, die Schriftfarbe im Ton anzupassen. Es ist z. B. nicht richtig, ein helles Zinnober¬
rot auf eine graue Fassade zu setzen. Auf einem weißen oder hell elfenbeinfarbigen Grund würde es
gut stehen. Je stärker aber der Grundton gebrochen ist, um so mehr muß auch die Schriftfarbe in seinen
Ton gebunden werden. Es ist also ein entsprechend kräftiges Rot zu verwenden und außerdem noch
leicht zu brechen.
Die zweite Möglichkeit ist, im Ton zu bleiben. Das empfiehlt sich aber nur bei farbigen Fassaden, sonst
wirkt die Schrift zu tot. Auf einer gelblichen Fassade kann die Schrift dunkelbraun, auf einem hell¬
blau gestrichenen Fachwerkbau dunkelblau sein usw.
Schließlich bleibt noch das Gold, die schönste und haltbarste Oberfläche für Buchstaben. Wegen des
hohen Preises einer guten Vergoldung muß es besonderen Zwecken vorbehalten bleiben. Nach Mög¬
lichkeit muß hier ein Grund geschaffen werden, auf dem die plastischen Goldbuchstaben zur Geltung
kommen. Gold ergibt auch auf farbigem Grund von Glasschildern eine gute Wirkung.
Die meisten Schriften stehen auf einem Schildgrund. Dieser kann im Ton der Gesamtfassade gehalten
sein. Man hat auch Glasschilder vielfach im Fassadenton gehalten. Die Glasfassaden wurden eine
gut zu säubernde Verkleidung. Das Gewicht der Farbe liegt damit auf der Schrift. In vielen Fällen
wird aber der Schildgrund von der Fassadenfarbe abweichen. Er muß dann unbedingt mit Fassade
und Umgebung ein harmonisches Ganzes bilden.
Den stärksten Kontrast bilden die Komplementärfarben. Es sind dies jeweils 2 Farben, die sich zur
Gesamtheit der Farben des Spektrums ergänzen. Optisch ergibt die Mischung aller Farben Weiß, in
unseren Farbpigmenten allerdings nur ein schmutziges Grau. Wenn man die Farben des Spektrums in
einem Kreis anordnet, liegen sich die Komplementärfarben gegenüber (Bild 115). Zur Anwendung
dieser direkten Gegenfarben wäre dasselbe zu sagen wie über den größten Hell-Dunkel-Kontrast.
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Die Wirkung ist nur noch verstärkt. Eine direkte Zusammenstellung von reinen Komplementär¬
farben kann schreiend und roh wirken, besonders wenn sie annähernd die gleiche Fläche einnehmen
(Bild 112). Je stärker der Kontrast, um so kleiner muß also verhältnismäßig die Schrift sein. Grelle
Farben in größeren Flächen sollen überhaupt vermieden werden.
Die Farbengebung soll stets der Landschaft angepaßt sein. In tropischen Ländern mit ihrer farben¬
prächtigen, manchmal grellen Natur mögen reine Farben angebracht sein. In unseren nordischen
Ländern können ungebrochene Farben in größeren Flächen die Harmonie der Landschaft, auch der
Stadtlandschaft, empfindlich stören. Man nehme sich hier die Natur zum Lehrer. Sie gibt ihre far¬
bigen Höhepunkte nur in kleinen Flächen: den Blumen, blühenden Sträuchern und Bäumen. Der
Maler hat von jeher gewußt, daß er große Flächen dämpfen muß. Im Zeitalter der Reklame hat
man es oft vergessen. Zum Teil forderten die Auftraggeber der Markenartikelindustrie eine über¬
laute Farbgebung. Aber auch der Schilderspezialist hat hier oft versagt, während die von Malern aus¬
geführten Beschriftungen zwar manchmal man¬
gelhaft in der Form, aber meist einwandfrei
in der Farbe waren. In früheren Zeiten kam
dem Geschmack der äußere Umstand zu Hilfe,
daß die natürlichen, also stumpfen Pigmente
billig, die reinen Farben aber sehr teuer waren.
Heute stellt die chemische Industrie reine, oft
unangenehm grelle Farben zu verhältnismäßig
niedrigen Preisen her. Unser Geschmack muß
ihre bedenkenlose Anwendung verhindern.
Andererseits' darf die Zurückhaltung nicht
übertrieben werden. Zeitweise forderten die
Architekten und Stadtbauämter fast den völ¬
ligen Verzicht auf Farbe. Auch das ist nicht
richtig. Eine Beschriftung oder eine Werbe¬
anlage soll stets farbig sein. Sie können, richtig
eingesetzt, die Rolle der Blumen in der Gro߬
stadt übernehmen. Darum sind Ocker, Eng¬
lisch-Rot und Umbraun allein keine geeigneten Bild 115. 12teiliger Farbenkreis
Pigmente für Außenbeschriftungen. Der Schilder¬
maler verwendet meist reine Farben, die er entsprechend bricht. Die größere Fläche wird er mehr
brechen als die kleine.
Die sanfteste Brechung einer Farbe wird durch Beimischung von Weiß erzielt. Sie kann der Farbe
schon viel Grellheit nehmen. Man denke an ein stark mit Weiß versetztes Gelb, das schon eher eine
blaue Schrift vertragen kann. Eine stärkere Dämpfung erreicht man mit Erd- oder Eisenoxydfarben,
z. B. für Gelb, Ocker oder Siena, für Orange und helles Rot, Englisch-Rot usw. Für dunklere Farben
tut es am besten das berühmte Tröpfchen Schwarz, das nach einer alten Malerregel nichts verderben
soll.
Weiß, Gelb, Orange und Rot sind lichtstarke Farben, Blau und Grün sind lichtschwach. Eine Werbe¬
anlage sollte wenigstens eine lichtstarke Farbe enthalten, sei es als Grund oder als Farbe. Zwei licht¬
arme Farben, wie Grün und Blau, ergeben auch dann keine lebendige Wirkung, wenn sie im Ton
stark gegensätzlich sind. Mindestens muß dann Weiß zur Auffrischung hinzutreten.
Der Einfluß der Farbe auf die Lesbarkeit
Eingehende Versuche, welche Farbenzusammenstellung ihre Lesbarkeit auf die größte Entfernung be¬
hält, hatten folgendes Ergebnis:
I. Schwarz auf Gelb, 2. Grün auf Weiß, 3. Rot auf Weiß, 4. Blau auf Weiß, 5. Weiß auf Blau,
6. Schwarz auf Weiß, 7. Gelb auf Schwarz, 8. Weiß auf Rot, 9. Weiß auf Grün, 10. Weiß auf Schwarz,
II. Rot auf Gelb, 12. Grün auf Rot, 13. Rot auf Grün.
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