rung der Tonunterschiede von Schwarz und Weiß durch leichte Brechung der Farben. Jede Beseitigung
von Härten ist einer reibungslosen Aufnahme beim Lesen förderlich.
Die klassizistische Antiqua hat diese vollkommenen Formausbildungen teilweise aufgegeben. Sie besitzt
deshalb auch eine geringere Lesbarkeit. Die äußerst schwachen Haarstriche waren auf die Nahsicht des
Kupferstichs berechnet und können deshalb für unsere Zwecke nur in den seltensten Fällen Ver¬
wendung finden.
Für die Anforderungen der Jetztzeit sind schwere Antiquaformen geschaffen worden, die auch sehr
großen Entfernungen standhalten. Die Füßchen sollen bei allen Arten der Antiqua nicht zu weit aus¬
laden, um dem Auge eine deutliche Trennung vom Nachbarbuchstaben zu ermöglichen. Das Schrift¬
bild wird sonst durch Ineinanderfließen undeutlich.
Die Grotesk oder Blockschrift ist besonders in mittelfetter Ausführung vorzüglich lesbar. In längeren
Texten liest sie sich nicht so angenehm wie die Antiqua. Es fehlen ihre die vermittelnden Formen. Am
lesbarsten ist die aus dem Kreis oder dem kreisähnlichen Oval entwickelte Blockschrift. Bei weiterem
Höherziehen büßt die Schrift mit der Schönheit auch an Lesbarkeit ein. Man greift dann besser zur
steilen Blockschrifl, bei der alle senkrecht verlaufenden Rundteile zu Geraden eingezogen sind. Damit
gleichen sich die Buchstaben allerdings in ihrer Grundform an und werden dadurch schwerer unter¬
scheidbar. Da sich auch Schenkelzwischenraum und Buchstabenabstand angleichen, entsteht eine „Git¬
terwirkung", die ein von der Buchstabenform unabhängiges Eigenleben zeigt. Werden die Buchstaben
übermäßig hoch gestaltet, verlieren sie weiter an Lesbarkeit. Immerhin lassen sich bei beschränkter
Schriftbreite mit Hilfe einer normalgebildeten steilen Blockschrift noch sehr gut lesbare Schriftbilder
schaffen.
Festzuhalten bleibt, daß eine Höhergestaltung der Schrift bei gleichbleibender Breite nur in engen
Grenzen gewinnbringend für die Lesbarkeit auf weite Entfernungen ist. Von da an wird das Schrift¬
bild durch Höherziehen undeutlicher.
Für die Textur oder Gotische Schrift gilt alles von der steilen Blockschrift Gesagte in verstärktem Bild 88. Diese Gotische Schrift aus dem Jahre .1468 ist zwar schwer lesbar, aber von starkem Ausdruck âduuûoc Bild 89. Gegenbeispiel. Unleserliche und unschöne „moderne" Gotische Schrift Alte Texturschriften sind oft ohne Rücksicht auf Leserlichkeit gezeichnet. Unser Bild 88 zeigt eine 52 Die Rotunda und Schwabacher sind bei richtiger optischer Anpassung sehr gut zu lesen. Runde und Formen unzialen und gotischen Ursprungs haben Eingang in die Groteskschriften gefunden. Durch Ab¬ Die Fraktur steht trotz ihrer bewegten Formen der Antiqua an Lesbarkeit nicht nach. Sie ist auch in Entscheidender noch als die Wahl der Schriftart ist für die Lesbarkeit eine fehlerfreie, auf Fernsicht Es ist ohne weiteres einleuchtend, daß magere oder zarte Schriften größeren Entfernungen nicht stand¬ WILUNGEZ Bild 90. Für Fernwirkung zu schwache Schrift iìeutfrfien Bild 91. Für größere Entfernungen zu fette Schrift Gleich ungünstig sind zu fette Schriften. Hier können die zu kleinen Grundausschnitte, die ja ein Besonders gefährdet ist.die Lesbarkeit durch dünne Haarstriche. Durch ihre Überstrahlung verliert die 53
Maße. Das Fehlen aller Rundformen nimmt der Schrift noch weitere Unterscheidungsmerkmale. Bei
Gestaltung der Brechungen ist darauf zu achten, daß die Buchstaben klar erkennbar bleiben, n, m, \>
dürfen nur oben, das u darf nur unten geschlossen sein. Eine Verbindung der Buchstaben unterein¬
ander ist nur mit den unteren Brechungen statthaft. Wenn höchste Lesbarkeit verlangt wird, halte
man die Buchstaben lieber getrennt. Eine Ausnahme bilden die Ligaturen cb,
(Text: brugge in flandere = Brügge in Flandern)
solche Schrift aus dem 15. Jahrhundert, die allerdings von großer Kraft des Ausdrucks ist. Die
„moderne" Schrift von Bild 89 ist dagegen nur fehlerhaft. Die Buchstaben h —i sind überhaupt nur
zu erraten. Das bedeutet eine unnötige Erschwerung des Lesens. Die Buchstaben müssen klar heraus¬
gearbeitet sein.
gerade Formen stehen im Wechsel. Ihre von Natur kräftige Bildung macht sie auch für größere Ent¬
fernungen geeignet. Die Rotunda ist durch ihre einfacheren Formen noch im Vorteil.
Die Unzialschrifien sind durdi die Häufung runder Formen weniger gut lesbar. Als reine Zweck¬
schriften werden sie ohnehin kaum Verwendung finden.
runden der Buchstaben Р,€,К,ГП,ГШ.Ш werden alle Schrägen mit einer Ausnahme beim Z aus dem
Schriftbild entfernt und damit ein wichtiges Orientierungsmittel ausgeschaltet. Es kommen also
mehr senkrechte Balken nebeneinander zu stehen. Die Leserlichkeit erleidet dadurch eine Einbuße.
Diese Abwandlungen entspringen dem Suchen nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten. Tatsächlich lassen
sich damit auch in besonderen Fällen interessante Schriftbilder schaffen. Dabei bleiben vor allem Ein¬
zelworte von genügender Lesbarkeit.
dieser Beziehung eine vollkommene Schrift. Im Gegensatz zur Textur sind die Kleinbuchstaben durch
ihre teilweise Rundung gut unterscheidbar. Die leichte Abrundung der Brechungen ermöglicht ein
fließendes Lesen. Das Auge gleitet geradezu von einem Buchstaben zum anderen. So liest sich die
Fraktur auch in längeren Texten vorzüglich.
berechnete Formung. Bei der Besprechung der Schriften wurde schon verschiedentlich auf Gefahren
hingewiesen, die durch fehlerhafte Bildung entstehen können. Hier sollen nochmals einige für die
Fernsicht besonders ungünstige Ausformungen besprochen werden.
halten (Bild 90). Stehen sie dunkel auf hellem Grunde, so werden ihre Formen durch die Ausstrah¬
lungen der hellen Fläche angegriffen. Hell auf dunklem Grunde wird ihr geringes ausstrahlendes Licht
von der Umgebung „verschluckt". Dazu tritt die ausgleichende Wirkung der Atmosphäre, die den
Tonunterschied verwischt. Auch wenn ein bestimmter Schriftcharakter eingehalten werden muß, wenn
z. B. wegen der Einheitlichkeit der Werbung die Schrift eines Briefkopfes verwendet werden soll, ist
diese bei Erhaltung ihrer Eigenart entsprechend zu verstärken. Überhaupt müssen Vorlagen, die unter
den Gesichtspunkten der Grafik geschaffen wurden, öfter der Fernsicht angepaßt werden.
gutes Teil zur Unterscheidung der Buchstaben beitragen, nicht genügend zur Geltung kommen (ВІЫ91).
Der wuchtige, behäbige oder auch trotzige Ausdruck, den solche Schriften haben, wird also auf Kosten
ihrer Lesbarkeit erreicht. Ihre Verwendung wird sich daher auf einzelne Worte oder kurze Sätze
beschränken müssen.
Schrift den Zusammenhang und kann schon bei geringen Entfernungen undeutlich werden. Solche
feinen Haarstriche können auf grafischen Arbeiten sehr elegant wirken, an Schilderschriften sind
sie jedoch nicht am Platze (Bild 92).