Mehrfach zusammengesetzte Wörter kuppeln wir auf Schildern, sobald sie unübersichtlich werden.
Über die allgemeine Regel, daß nur Zusammensetzungen von mehr als drei Worten durch Bindestrich
zu kuppeln sind, können wir uns hier u. U. hinwegsetzen. Für den Buchdruck ist diese Regel zweck¬
entsprechend, für Schilder jedoch nicht immer. Klarheit ist oberstes Gebot! Bei Kupplungen ist nach
dem Bindestrich stets mit einem großen Buchstaben zu beginnen. Über die Anwendung des Binde¬
strichs in zahlreichen verschiedenen Fällen unterrichte man sich ausführlich im „Duden".
Ligaturen (Buchstabenverbindungen) dürfen nur gebraucht werden, wo sie sprachlich richtig sind, z. B.
beschriften, Nutzen, Hoffnung, nicht aber bei den Zusammensetzungen auftauen, Notzeichen,'Auf¬
fahrt. Auch in Worten, deren dritter Mitlaut ausgestoßen ist, wie Wollager, wettauchen, Schiffahrt
wird die Ligatur angewendet, sofern sie in der Schrift vorhanden ist.
Die Schriflwahl
In früheren Jahrhunderten war man um die Wahl der Schrift nicht verlegen. Die Schrift der Zeit
wurde für alle Zwecke verwendet, in Übergangszeiten die bekannten Schriftarten nebeneinander.
Man hielt nicht auf reinliche Scheidung der Stile. Wie Erweiterungen gotischer Bauwerke ohne Be¬
denken im Renaissancestil gehalten wurden, setzte man auch nachträglich Antiquaschriften in eine
gotische Umgebung. Auf den Textinhalt wurde keinerlei Rücksicht genommen. Grabinschriften und
geschäftliche Ankündigungen wurden in der gleichen Schriftart gesetzt. Nur der Wunsch nach monu¬
mentaler Wirkung oder die Eignung als Auszeichnungsschrift machte sich bei der Wahl geltend.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts beginnt auf allen Gebieten die Zeit des Historisierens. Ab¬
seits von den Strömen des aufstrebenden technischen Zeitalters suchte man die. historischen Stile wieder
zu beleben. Sämtliche Stile wurden hervorgeholt und schließlich in buntem Durcheinander verwendet.
Auch das Schriftschaffen nahm an dieser Bewegung teil. Unterstützt durch die wachsenden historischen
Kenntnisse suchte man die gewonnene Vorstellung des Zeitcharakters auch im Schriftbild zu erkennen.
So fand man z. B. in der Gotischen Schrift einen feierlich-mystischen Zug und hielt sie daraufhin für
kirchliche Inschriften und Grabsteine besonders geeignet. Der humorvoll-gemütliche Ausdruck der
Schwabacher erschien etwa bei der Beschriftung eines behaglichen Bierlokals und die graziöse Kursive
der Rokokozeit für die Werbung zu einer Tanzveranstaltung angemessen. Beim Suchen nach Überein¬
stimmung von Inhalt und Form wird man zwangsläufig auf die entsprechenden Formelemente zurück¬
kommen.
Mit zunehmender Verfeinerung des Geschmacks erkannte man die großen Möglichkeiten, durch leichte
Variationen den Ausdruck einer Schriftart zu verändern. Schon bei unterschiedlichen Balkenbreiten
ergeben sich sehr abweichende Wirkungen. Leichte Veränderungen in den Buchstabenproportionen und
Abstanden, im Verhältnis von Haar- zu Schattenstrich sowie kleinste Formabweichungen können
den Ausdruck weitgehend verändern. Selbst die gesetzmäßig stark gebundene Grotesk läßt sich in
ihrem Charakter vielfach abwandeln.
Nach dieser kleinen historischen Betrachtung wollen wir zur Praxis kommen. Unser heutiges Stilgefühl
fordert Beschriftungen an historischen Bauten im entsprechenden Stil zu halten. Man muß eine
genugende Kenntnis der stilistischen Zusammenhänge und viel Taktgefühl besitzen, um hier etwas
Befriedigendes zu schaffen. Es ist nicht erforderlich, eine getreue Kopie der altertümlichen Schrift¬
formen zu geben. Wir stellen schon an die Leserlichkeit höhere Anforderungen. Die Handschrift unserer
Zeit brauchen wir auch hier nicht zu verleugnen, wenn sie nur von hoher Qualität ist.
Auch bei Beschriftung moderner Bauten muß der Stilzusammenhang gewahrt bleiben. Besonders bei
bedeutenden Bauwerken, deren Schrift neben ihrer Zweckbestimmung noch schmückendes Motiv sein
soll, ist feinste Einfühlung erforderlich. Feste Regeln lassen sich da nicht geben.
Bei allen Beschriftungen frage man sich, welche Wirkung im vorliegenden Falle angemessen ist: wuchtig
oder zierlich, streng oder gefällig, sachlich oder gefühlsbetont usw. Wer sich in das Wesen der Schrift
vertieft und den Zweck im Auge behält, wird ohne Schwierigkeit die richtige Wahl treffen. Dabei ist
auf die Schriften der Umgebung Rücksicht zu nehmen. Entweder muß sich die neue Beschriftung an¬
passen oder in einem deutlichen, aber angenehm wirkenden Gegensatz stehen.
48
Die Frage: Antiqua oder Fraktur (beide Begriffe im weitesten Sinne, genommen) sollte nur von sach¬
lichen Gesichtspunkten aus behandelt werden. Ihre Bezeichnung als lateinische und deutsche Schrift
ist ohnehin ungenau. Die Kulturzentren ganz Europas waren an der Schriftentwicklung wechsel¬
weise beteiligt. Auch hielt sich die Verbreitung einer Schrift nie in nationalen Grenzen. Augenblick¬
lich entsprechen die Antiquaformen unserem Lebensgefühl mehr. In den außerdeutschen Ländern
haben sie schon längere Zeit die Vorherrschaft. Die Fraktur findet daneben als Auszeichnungsschrift
Verwendung. Die Schildermalerei, die über möglichst viel Ausdrucksmöglichkeiten verfügen möchte,
wird auf die Frakturformen nicht ganz verzichten wollen. In einer klaren, zeitgemäßen Ausformung
ist und bleibt die Fraktur eine der vollkommensten Schriften. Mögen in der Jetztzeit die Antiqua
und die ihr verwandten Groteskformen für die meisten Aufgaben angemessen sein, für Sonderauf¬
gaben wird die Fraktur doch immer wieder Verwendung finden.
In einem der vorigen Abschnitte wurde schon angedeutet, daß für Dauerbeschriftungen keine Mode-
schriften verwendet werden sollen. Solche Schöpfungen verblüffen oft zunächst durch ihre Neuartig¬
keit. Nach kurzer Zeit aber sind sie überholt und wirken dann „altmodischer" als alte Schriften,
welche die Probe der Zeit überstanden haben. Das Bemühen, neue Formen zu finden, ist an sich gesund
und richtig. Es muß jedoch gleichzeitig ein Bemühen sein, bessere Schrift zu formen. Zunächst ist fast
jede Neuschöpfung Experiment. Sehr oft erweist sie sich als überflüssig und verfehlt. Auf Plakaten,
die Eintagsfliegen sind, lassen sich solche Schriften manchmal mit Erfolg anwenden und auf ihre Ver¬
wendbarkeit prüfen. Schilderschriften aber gehören zu den Monumentalschriften und sollen nach zeit¬
loser Schönheit und Ausdruckskraft streben.
Historische Schriften in ihrer getreuen, altertümlichen Fassung lassen sich mit illustrativer Absicht be¬
nutzen. Schon ein einziges, charakteristisch geformtes Wort vermag oft die Geisteswelt einer ver¬
gangenen Epoche heraufzubeschwören. Man denke an Werbungen für Ausstellungen, Filme oder für
Veranstaltungen mit geschichtlicher Tradition. Auch in historischen Gaststätten können solche bewußt
altertümlichen Beschriftungen am Platze sein. Wir tauchen ganz gern mal in die alte Formenwelt ein
und finden im bewußten Gegensatz zum modernen Leben Entspannung. Das braucht nicht gleich eine
Flucht in die Vergangenheit zu bedeuten.
Grundsätze für die Mischung
Wenn irgend möglich, sollte zu einer Beschriftungsarbeit nur eine Schriftart Verwendung finden. Starke
Größenunterschiede und der Wechsel von fett und mager genügen meist. Außerdem lassen sich bei den
lateinischen Schriften Versalienzeilen und solche mit Groß- und Kleinbuchstaben abwechseln.
In der Schildermalerei gibt es jedoch auch zahlreiche Fälle, in denen eine Mischung vorteilhaft ist. Das
Schriftbild wird so interessanter, und einzelne Sätze können besonders hervorgehoben werden. Die
Mischung darf aber nicht willkürlich geschehen. In der hinter uns liegenden Zeit des geschmacklichen
Niedergangs wurde oft jede Textgruppe in einer anderen Schrift gesetzt, und zwar ohne jeden stilisti¬
schen Zusammenhang. Es entstanden so wahre Schrecken für den guten Geschmack.
Eine Beschränkung auf zwei Schriftarten ist fast immer möglich. Aber auch diese müssen in einem
Zusammenhang stehen. Antiqua-, Fraktur- und Groteskformen sollten nie miteinander gemischt
werden. Noch weniger dürfen Abarten gleicher Schriftgruppen zusammen verwendet werden, z. B.
Mediäval und französische Antiqua, Gotische Schrift und Fraktur, verschiedene Frakturarten usw.
Auch eine Mischung von steilen und runden Formen ist im allgemeinen abzulehnen. Man denke an
die steile Wiener Block und die runde Futura.
In jedem Falle kann die Kursivform der verwendeten Schrift zur Abwechslung herangezogen wer¬
den. Diese läßt sich fast aus jeder Schriftart bilden. Nach Schrägstellung können geeignete Buchstaben
etwas schwunghaft ausgebildet werden. Die als Italique bezeichnete Antiqua-Kursiv ist zu einer selb¬
ständigen Schrift geworden. Die Mischung mit ihrer Urform, der Antiqua, ergibt ein stilistisch ein¬
heitliches Bild. Beispielsweise kann der Namenszug eines Firmenschildes groß und schwungvpll in
Antiqua-Kursiv gezeichnet sein, die darunterstehende Branchenbezeichnung aber in kleinen, streng
aufgereihten Antiqua-Versalien. Immer strebe man nach großem Kontrast bei stilistischer Einheit¬
lichkeit. So können auch in größeren Antiquatexten eine oder mehrere Kursivzeilen zur Auflockerung
des Schriftbildes eingefügt werden.
49