Bei den Schreibschriften müssen die Kleinbuchstaben ein ruhiges Bild von gleichmäßigem Fluß zeigen.
Je schlichter sie gestaltet sind, um so besser kommen die geschwungenen Großbuchchstaben zur
Geltung.
Für größere Formate muß die Schrift wie jede andere eingeteilt werden. Die Markierung setze man
in der Mitte der kleinen Buchstaben ab. Buchstaben, die keine Verbindung miteinander haben, wie
r und с oder d und e, müssen etwas zusammengerückt werden, besonders wenn es sich um zwei runde
Formen handelt.
Die Haarstriche sind bei der gezeigten Schrift verhältnismäßig dünn. Sie müssen deshalb für größere
Entfernungen verbreitert werden, ganz besonders bei einer Verwendung auf Transparenten, da sie
sonst überstrahlt werden.
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Wahl und Anordnung der Schrift
Die Anpassung an Zweck und Umgebung
Jede Beschriftungsarbeit beginnt mit einer eingehenden Ortsbesichtigung. Sie soll sich ja einerseits in
eile Umgebung einfügen, andererseits aber in ihr zu ausreichender Wirkung gelangen. Zunächst muß
die Beschriftung oder die gesamte Werbeanlage im richtigen Größenverhältnis zur tragenden Archi¬
tektur stehen. Sie wirkt beunruhigend und aufdringlich, wenn sie ein angemessenes Verhältnis über¬
steigt Je kleiner das Gebäude oder der Raum ist, desto geringer muß der Umfang der Beschriftung
sein Ebenso sind die Breite der Straße oder sonstige den Abstand des Beschauers bestimmende Orts¬
verhältnisse zu berücksichtigen. Wie häßlich wirken oft meterhohe Buchstaben in einer engen Geschäfts¬
straße. Viel sinnvoller wäre es, hier erst einmal einen ruhigen Untergrund zu «baffen. Auf ihm
würden die Buchstaben in halber Größe weit eindrucksvoller stehen. Auch die Feststellung der haupt¬
sächlichen Gehrichtung kann wichtig sein. _ _
Besondere Rücksicht ist auf den Stil der Architektur.zu nehmen. Man wird an einem alten Fachwerk¬
haus anders vorgehen müssen als an einem modernen Geschäftshaus. Die Beschriftung soll aus ihrer
Umgebung gleichsam herauswachsen, muß aber gleichzeitig Ausdruck einer modernen Gesinnung sein.
Es gehört viel Takt zu einer solchen Einpassung in die Umgebung, besonders in Gegenden, die keinen
einheitlichen Stilcharakter haben. Auch für die Farbe muß der richtige Ausgleich von Anpassung und
Kontrastwirkung gefunden werden. _ ¿ ,
. Durch die Schrift soll die Umgebung nicht verschandelt, sondern verschönert werden. Die Buchstaben
können und sollen neben ihrem Zweck ein Schmuck für die Architektur sein Der Schilderhersteller
leistet in seinem Bemühen um die Formschönheit der Einzelbuchstaben, Schriftzüge und Schriftsätze
ein bedeutendes Stück Kulturarbeit auf der Straße.
Beschriftungen haben sehr verschiedene Aufgaben zu erfüllen, auch im Rahmen unseres Handwerks.
Dementsprechend wechselt ihre Formensprache. Sie kann beispielsweise zurückhaltend oder von lauter
Deutlichkeit, nüchtern oder ornamental sein. Bereits vor dem ersten Entwurf muß man sich darüber
klar werden, welche Wirkungsweise der Aufgabe angemessen ist.
Man soll nicht glauben, daß eine übergroße, grellfarbige und womöglich noch bizarr geformte Schrift
besonders werbekräftig sei. Schon eine einzelne Werbeanlage dieser Art würde viele Passanten ab¬
stoßen. Noch ungünstiger ist die Wirkung, wenn mehrere aufdringlich gestaltete Werbungen neben¬
einander angebracht sind und eine die andere an Auffälligkeit überbieten will. Dann kommt keine
von ihnen zur Geltung. Der Passant, dessen Augen keinen Ruhepunkt finden, wendet sich uninter¬
essiert ab. Nur klar getrennte, aber untereinander in Harmonie stehende Einzelobjekte halten seinen
Blick fest. Man hat erkannt, daß wohltuende Formen und Farben die beste Werbekraft haben. Unsere
Werbungen sollen sich durch Wahrheit im Inhalt, durch Formschönheit und durch Einordnung in die
Umgebung auszeichnen, dabei können sie lebendig und originell sein.
Beschriftungen, die eine lange Lebensdauer haben sollen, z. B. an öffentlichen Gebäuden, müssen be¬
sonders sorgfältig gestaltet werden. Hier sind nur Schriftformen angebracht, die erprobt und durch
ihre Vollkommenheit zeitlos geworden sind. Schriften, die heute „modern", morgen aber wahrschein¬
lich überholt sind, soll man vermeiden. Bei der Wahl der Schriftart lasse man sich vom Stil der Archi¬
tektur bestimmen.
Als Leitschilder kann man Aufschriften in Bahnhöfen, Treppenhäusern und Korridoren bezeichnen.
Sie sollen einem Strom von Menschen den Weg weisen. Dazu muß die Schrift klar, sachlich und leicht
erfaßbar sein. Wenn im gleichen Raum noch Werbung getrieben wird, sollte ihnen eine besondere
Farbenzusammenstellung vorbehalten bleiben. Übersichtstafeln verlangen eine klare Gliederung und
müssen leicht auswechselbar sein. Alle diese Arbeiten brauchen nicht so häßlich zu sein, wie sie es
leider oft sind.
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