Es ist vorteilhaft, sich noch zwei weitere Hilfslinien (c) zu ziehen, deren Abstand V4 der Entfernung
von a zu b beträgt. Die Benutzung der Hilfslinien kann aus dem Bild 80 ersehen werden.
Es führt zu keinem guten Schriftbild, wenn alle Schrägen parallel gehalten werden, wie auf dem
Gegenbeispiel von Bild 89. Die Verbindungen der Buchstabenschenkel müssen stets flacher liegen als
die bloßen Brechungen. Sie sollen außerdem etwas schwächer sein als die Senkrechten mit ihren
Brechungen. An einigen Stellen sind die Brechungen keilförmig leicht zu verbreitern, da sie dort in¬
folge einer optischen Täuschung schmaler erscheinen würden. Das Schriftbild wird dadurch gleich¬
zeitig ausdrucksvoller. An den äußeren Brechungen sind feine Spitzen auszubilden. Ein Zusammenstoß
im stumpfen Winkel wird stets als plump empfunden und gibt zudem zu optischen Täuschungen An¬
laß. Durch die leichte Ausbogung stoßen die Linien etwa im rechten Winkel zusammen. Damit wird
ein wohltuender Ausgleich geschaffen. An der vor Jahren verbreiteten „Tannenberg-Schrift" waren
in der Absicht, die Gotische Schrift zeitgemäß und „sachlich" zu gestalten, diese Ausbildungen weg¬
gelassen. Das Schneiden in Stanniol ging dadurch zwar sehr rasch, es entstand aber eine unvoll¬
kommene, plump wirkende Schrift. Die Ausgestaltung der historischen Schriften ist eben nicht
willkürlich, sondern in allen ihren Einzelheiten begründet. Wenn eine von ihnen in ihrer Eigen¬
tümlichkeit nicht angemessen erscheint, greife man lieber zu einer anderen Schrift.
Die Textur gewinnt, wenn beim Schreiben die Linien ganz leicht eingezogen werden. Beim Schneiden
in Stanniol müssen wenigstens die den spitzen Winkeln der Innenausschnitte gegenüberliegenden
Schrägen etwas eingehalten werden (siehe Bild 80 beim o, a und e).
An den Großbuchstaben sind einige schräge Balken besonders flach zu legen, so am B, D, L und vor
allem beim P. Buchstaben, deren Innenausschnitte nicht unterbrochen sind, also D, N, O, P usw.,
können eine Kleinigkeit breiter gezeichnet werden, da sie sonst leicht schmaler wirken. Umgekehrt
kann das S um eine Kleinigkeit enger gehalten werden.
Zur Textur verwendet man am besten rundgeformte Zahlen. Die Versuche, Zahlen in gebrochenen
Formen zu gestalten, kann man alle als mißlungen bezeichnen. Der Gegensatz der runden Zahlen zu
den gebrochenen Buchstaben ist im Schriftbild sehr reizvoll.
Rotunda
(Tafel 22)
Die Rotunda, auch Rundgotisch genannt, ist eme der schönsten Schriften. Sie ist kräftig, klar und gut
lesbar. An ihrer Formung wirkten die Breitfeder und die Holzschneidetechnik mit. Reizvoll ist die
rhythmische Wiederholung der offenen o-Formen innerhalb der enger gestalteten übrigen Kleinbuch¬
staben.
Baubanfcwerk
Bild 81. Rotunda
Die Rotunda hatte, wie die Textur, noch keine einheitlichen
Großbuchstaben. Meist waren diese ziemlich bizarr geformt.
Es wurden aber auch die Abwandlungen der Kapitale ver¬
wendet, die gleichfalls den Einfluß der Breitfeder zeigen. Für
unsere heutigen Beschriftungsaufgaben sind diese Kapitalbuch¬
staben besser geeignet als die eigentlichen Rotundaversalien. Die
Versalien unserer Tafel lassen sich, wie auch die Kleinbuch¬
staben, mit dem Breitpinsel schreiben. Sie eignen sich deshalb
recht gut für eine reine, frei geschriebene Versalienschrift.
Die Angaben für die Einteilung der Schrift gehen wieder
von den Kleinbuchstaben aus. Die Balken der Versalien sind
also entsprechend zu verstärken.
Bild 82. Das Rotunda-o
in seinem Verhältnis zur Kreislinie
4*
Die Rotunda in ihren Proportionen zu ändern, sie also fetter oder magerer, breiter oder höher zu
zeichnen, ist nicht anzuraten. Sie verliert damit ihren ursprünglichen Charakter.
Es ist darauf zu achten, daß die Spitzen über die Zeilenlinien hinaus gezeichnet werden und daß
die stumpf endenden Balken etwas innerhalb der Zeilenlinien enden.
Fette Kursiv
(Tafel 23)
Diese Kursivschrift läßt sich sehr vielseitig verwenden. Plakate, Wandbeschriftungen, Schilder und
plastische Schriften kann man mit ihr gestalten.
Auf unserer Tafel ist sie streng durchgezeichnet, wie das für größere Schilder notwendig ist. Die
Schriftformen sind jedoch aus einer Pinselschrift entstanden, darum läßt sich diese Schrift auch sehr
ZUM WEIHNACHTSFEST:
WcrtvolkBüchor
für unsere Jugend
Bild 83. Fette Kursiv und ihre Abwandlungen
gut mit dem Plakatschreiber gestalten. Vorteilhaft ist es, zuerst mit einem breiten Pinsel die Grund¬
formen zu schreiben und dann mit einem schmaleren Plakatschreiber die dünneren Buchstabenteile am
e, e usw. und die Haarstriche anzufügen.
Es ist aber auch möglich, mit einem schmalen Breitpinsel einzügig eine feinere Kursiv zu schreiben.
Auf unserem Bild geben wir dafür ein Beispiel. Beim einzügigen Schreiben muß der Pinsel beim
Schreiben der Haarstriche von M, N usw. gedreht werden.
Runde Kursiv
(Tafel 24)
Aus der Antiqua-Kursiv entwickelten sich die sogenannten lateinischen Schreibschriften. Eine dieser
Abwandlungen zeigt unsere Tafel. Diese Schrift ist geeignet für Schilder, die einen gefälligen Charakter
tragen sollen.
Die Buchstaben auf der Tafel haben eine Schräge von 70o. Schräger dürfen sie nicht liegen. Dagegen
ist eine steilere Stellung möglich und oft angebracht. Auf dem untenstehenden Anwendungsbeispiel
haben die Buchstaben eine Neigung von 75o. Es ist streng darauf zu achten, daß die gleiche Richtung
eingehalten wird.
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Bild 84. Runde Kursiv
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