Motorenbau
Bild 70. Steile Blockantiqua, mager
HANDWERK
Bild 71. Steile Blockantiqua, fett, leicht gesperrt
Römische Kapitalschrift
(Tafel 16)
Die Klarheit und Schönheit der Kapitale wurde von keiner später geschaffenen Schrift übertroffen.
Sie hat eine Lebenskraft bewiesen, die über alle Moden und Stile siegreich blieb. Da ihre Gesetze fur
das gesamte Schriftschaffen Bedeutung haben, ist ihr eingehendes Studium grundlegend.
Die römische Kapitalschrift war eine reine Großbuchstabenschrift. Auch heute werden Texte, die eine
monumentale Wirkung haben sollen, meist in Versalien geschrieben. Die auf unserer Tafel angefugten
Kleinbuchstaben gehören also nicht zur Kapitalschrift. Sie stellen einen Versuch dar, Antiquaminus-
keln möglichst gut anzupassen. , _ .
An den eigentlichen Kapitalbuchstaben fallen die sehr verschiedenen Breiten auf. Bei aller Ver¬
schiedenheit nehmen wir aber wahr, daß die Buchstaben durchaus gleichwertig erscheinen. Keiner ist
ungebührlich beengt und keiner drängt sich vor. Jeder Buchstabe hat eben genau die Breite, die erfor¬
derlich ist, seine Funktion als Lautzeichen klar auszudrücken. Jedes Mehr oder Weniger, das die Deut¬
lichkeit ungünstig beeinflussen oder unser optisches Gefühl verletzen würde, ist vermieden. Die Ver¬
schiedenheit der Buchstabenbreiten belebt dabei das Bild solcher Versalienschriften außerordentlich
Diese Schrift läßt sich nicht konstruieren. Sie muß mit feinstem Gefühl gezeichnet oder geschrieben
werden. Die Verhältnisse der einzelnen Buchstaben liegen aber von alters her fest. Sie müssen schon
früher genau überliefert worden sein, sonst könnten zeitlich und räumlich weit getrennte antike
Schriftdenkmäler nicht eine solche erstaunliche Übereinstimmung der Verhältnisse zeigen.
CAPITALI S
Bild 72. Römische Kapitalschrift
Zur Festlegung der Buchstabenverhältnisse nehmen wir an, daß die Breite der senkrechten Stämme
Vi, der Höhe beträgt. Für unsere handwerklichen Arbeiten darf diese Schrift manchmal noch etwas
kräftiger sein, doch zeichne man die Balken keinesfalls breiter als1/» der Höhe. Es ist dies in keinem
Falle nötig; die Schrift würde nur ihren Charakter und ihre Eleganz verlieren. Sofern man die Schritt
nach Maßeinheiten einteilt, gehe man stets von der Zehnerteilung aus, um die Grundverhaltnisse zu
erhalten, und verstärke dann die Schrift etwas. Auch auf unserer Tafel wurden die Kapitalbuchstaben
etwas verstärkt, da die angefügten Kleinbuchstaben eine Balkenbreite von Vie der Versalienhohe er¬
halten haben, damit die Einteilung im gemischten Alphabet vereinfacht wird. Bei der Verwendung von
Groß- und Kleinbuchstaben müssen die Großbuchstaben aber stets etwas dicker gestaltet werden.
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Die Haarstriche sollen halb so breit wie die Schattenstriche sein. Die Buchstabenbalken sind durch
sogenannte „Serifen" abgeschlossen. Ihre Entstehung verdanken sie wahrscheinlich der Erfahrung, daß
sich ein mit Meißel, Feder oder Pinsel gebildeter Balken mit ihrer Hilfe leicht und sauber abschließen
läßt. Durch die Serifen werden die Zeilenlinien betont; die Zeilen wirken geschlossener. Eine wichtige
Funktion haben die Serifen auch als Endverstärkung der Haarstriche. Sie schaffen nämlich einen
entschiedenen Abschluß, der die Überstrahlung der schwächeren Buchstabenteile verhindert und gleich¬
zeitig durch die zusätzlichen Schwärzen ihre lichtere Wirkung etwas ausgleicht.
Die Außenform des О ist ein optisch ausgeglichener Kreis. Alle anderen Rundungen lassen sich nicht
mit dem Zirkel bilden. Es ist aber sehr lehrreich, mit Hilfe des Zirkels zu untersuchen, in welchem
1234567890
Bild 73. Arabische Ziffern, zur römischen Kapitalschrift passend
Verhältnis sie zu einer Kreislinie stehen. Die Haarstriche schwellen in den Rundungen ganz allmäh¬
lich an und wieder ab. Die Anschwellungen sind leicht schräg gestellt, können aber auch gerade
gestellt werden.
Die Buchstaben dürfen nicht zu eng gesetzt werden, da sich sonst die einzelnen Abstände nicht mehr
zwanglos ausgleichen lassen. Der Abstand zwischen zwei senkrechten Balken sollte nicht weniger als
3Ѵ2 Balkenbreiten betragen. Der Zeilenabstand kann die Hälfte der Buchstabenhöhe messen oder im
Verhältnis des Goldenen Schnittes zu ihr stehen.
Mediäval-Antiqua
(Tafel i7)
Bei dieser Tafel liegt das Gewicht auf den Kleinbuchstaben. Die Antiqua ist nämlich zunächst eine
Kleinbuchstabenschrift. Ihren Formen sieht man deutlich den Einfluß der Breitfeder an. Es ist die
Ausprägung der auf Tafel 6 gezeigten humanistischen Minuskel als Buch- und Monumentalschrift.
Die typischen Merkmale der Mediäval sind: schräger Ansatz der Grundstriche, die Schrägstellung des
Druckes in den Kreisformen und die schräg aufsteigenden Rundungen beim m, n, h und u, die deut¬
lich abgesetzt sind.
Die Serifen sind bei dieser Schrift länger und dicker als bei der römischen Kapitalschrift. Das ergibt
sich aus dem Wesen der Kleinbuchstaben, deren Zeilenbild nur mit stärkeren Mitteln zu einer ge¬
schlossenen Wirkung zu bringen ist. Erstens wird der Zeilenfluß durch die Ober- und Unterlängen
RenaiiTance
Bild 74. Mediäval-Antiqua
unterbrochen, zweitens weisen nur wenige Kleinbuchstaben eine waagerechte Balkenführung an den
Zeilenlinien auf.
Die Verhältnisse dieser schönen Kleinbuchstaben sind nur schwer in Maßeinheiten auszudrücken. Zu
beachten ist, daß auch hier die einzelnen Buchstaben nicht zu nahe aneinandergerückt werden dürfen.
Der normale Abstand soll nur wenig geringer als der zwischen den beiden n-Balken sein. Alle Ab¬
stände sind natürlich sorgfältig optisch auszugleichen.
Die Großbuchstaben, von der Kapitalschrift stammend, sind in Anpassung an die Kleinbuchstaben
etwas verändert. Die Serifen sind in ihrer Form angeglichen. Auch die Buchstabenbreiten nähern sich
etwas an. Zwischen den Kleinbuchstaben würden sehr unterschiedliche Buchstabenbreiten nicht so gut
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