Auch die Brechungen der Frakturschriften sind, wie Bild 50 zeigt, in gleicher Weise in Rechnung zu
stellen. .
An der glatten steilen Blockschrift ist gerade wegen ihrer Gleichförmigkeit die kleinste Unausgeghchen-
heit sichtbar. Es ist daher angebracht, auch die kleinen, durch die Abrundung verschiedener Buch¬
staben entstehenden Unterschiede auszugleichen, besonders bei großen Schriften. Natürlich ist hier der
Ausgleich sehr geringfügig, so daß er in unserem kleinformatigen Bild ji kaum noch erkennbar ist.
Der Wortabstand
Bei der Zusammenstellung mehrerer Worte zur Zeile ist darauf zu achten, daß zwar eine deutliche
Trennung der Worte erfolgt, die Zeile aber nicht in einzelne Worte zerrissen wird.
In den meisten Fällen läßt sich die Regel anwenden, daß zwischen den Wörtern ein I samt seinen wie
üblich ausgeglichenen Buchstabenabständen Platz finden muß. Zwischen Kleinbuchstaben kann der
Abstand noch etwas geringer sein. Noch weiter läßt sich der Wortabstand bei den Steilschriften, wie
Textur und steile Blockschrift, und bei sehr fetten Schriften einschränken. Für Punkt und Komma
braucht nur eine Balkenstärke zugegeben zu werden.
ROTIUND1BLAU
Bild 5 2. Der richtige Wortabstand bei der Kapitalschrift
Der Zeilenabstand
Der Zeilenabstand muß so groß sein, daß er zumindest etwas trennender wirkt als der Wort¬
abstand. Das gilt selbst für Beschriftungen, bei denen zur Erzielung eines dekorativen oder monu¬
mentalen Eindruckes beide Abstände auf das Äußerste eingeschränkt werden.
Bei den Versalienschriften nimmt es sich besonders gut aus, wenn die Buchstabenhöhe dem größeren,
der Zeilenabstand aber dem kleinen Teil des Goldenen Schnittes entspricht. Diesen Abstand zeigen
viele der besten römischen Inschriften, z. B. die an der Trajanssäule. Unter Umständen sind aber auch
größere Abstände möglich und angebracht. Es ist dann immer zu empfehlen, den Zeilenabstand in
einem einfachen Verhältnis zur Buchstabenhöhe zuhalten, wie 1:1, 2:1 usw.
Der Abstand von Zeilen aus Kleinbuchstaben wird von der Schriftart bestimmt. In jedem Falle muß
er mindestens so groß sein, daß sich Ober- und Unterlängen nicht überschneiden. Ein Übergreifen der
einen in den Raum der anderen ist nur in ganz seltenen Fällen mit dekorativer Absicht möglich. Bei
der Bemessung des Abstandès zwischen Kleinbuchstabenzeilen geht man am besten von den Mittel¬
längen aus.
Antiquaschriften und runde Blockschriften, die ja mit der Antiqua das Skelett gemeinsam haben, er¬
fordern einen besonders großen Zeilenabstand. Er sollte möglichst nicht geringer sein als die Höhe von
zwei Mittellängen. Den geringsten Zeilenabstand fordert die Textur; vor allem bei längeren Texten
entsteht erst dann das typische Schriftbild. Die Höhe des Zeilenabstandes soll wesentlich geringer sein
als die der Mittellängen. Etwas größer, etwa bis zur Höhe der Mittellängen, kann er bei den Fraktur¬
schriften sein.
Als allgemeine Regel kann gelten, daß der Zeilenabstand bei Kleinbuchstabenschriften, die vom Kreis
oder vom Quadrat abgeleitet sind und die große Ober- und Unterlängen haben, besonders groß sein
muß. Je höher und enger die Mittellängen aber gebildet sind, desto geringer muß der Zeilenabstand
sein. Diese Schriften haben von Natur aus kurze Ober- und Unterlängen. Weiter ist zu beachten, daß
licht gehaltene Zeilen einen größeren Zwischenraum erhalten müssen als fette.
Besonders sorgfältig müssen die Zeilenabstände ausgeglichen werden, wenn Zeilen mit Schrift verschie¬
dener Größe untereinandergestellt werden. Versalienzeilen zwischen Kleinbuchstabenzeilen ist oben zu¬
sätzlich Raum zu geben, da die Versalien im Gegensatz zu den Kleinbuchstaben sämtlich bis zur oberen
Zeilenlinie reichen.
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Zeilenanfang und -schluß müssen im gleichen Sinne ausgeglichen werden wie die Buchstabenabstände.
Beginnen oder enden die Buchstaben schematisch an einer Linie wie auf Bild 54 a und b, dann stehen
sie optisch nicht senkrecht untereinander. Erst ein Hinüberführen runder, schräger oder übergreifen¬
der Teile über die senkrechten Begrenzungslinien schafft den Ausgleich (Bild 55a und b). Entsprechend
ist auch bei der Anordnung um eine Mittelachse zu verfahren (Bild 56).
hog
hog
hog
hog
Die Einteilung
Durch die Einteilung soll die Schrift innerhalb der gegebenen Breite einen gleichmäßigen Verlauf er¬
halten. In alten Zeiten überließ man sie weitgehend dem Gefühl. Man nahm es nicht so genau mit der
Mittelachse und dem Zeilenschluß. Auch die innere Struktur der Schrift war nicht immer gleichmäßig.
Dennoch war das Ergebnis bewunderns¬
wert. Es zeigte ein Gleichmaß, das nicht
von Maß und Zirkel abhing. Wir be¬
wundern die schöne Unbekümmertheit,
die sich in diesen Werken der alten
Meister ausspricht, können diese aber
nicht mehr in unseren Arbeiten walten
lassen. Das technische Zeitalter hat
unser Gefühl für Präzision besonders
entwickelt. Ihm müssen wir Rechnung
tragen. Die Maßgenauigkeit muß umso Bilds?
größer Sein, je mehr sich die Arbeits- Im allgemeinen nimmt der Zeilenabstand um so mehr ab, je schmaler und
technik vom Handschriftlichen entfernt fetter die Buchstaben werden und je kürzer die Ober- und Unterlängen sind
und mechanischer wird. Bei allem muß
die Form erfühlt bleiben. Bei der Anfertigung der Zeichnung ist der Endeffekt im Auge zu behalten.
Das Einteilen kann durch Probieren und auf rechnerischem Wege erfolgen. Im ersten Falle probiert
man mit Kohle so lange, bis die Schrift richtig in der Fläche sitzt. Durch viele Übung kann man es
hierin zu großer Sicherheit bringen. Diese Arbeitsweise ist jedoch nur in einigen Fällen vorteilhaft.
Frei geschriebene Schriften können so aufgezeichnet werden, aber auch hier ist bei längeren Texten eine
Einteilung in großen Zügen anzuraten. Grenzen sind schon durch das Format gesetzt; denn es muß
natürlich eine Sicht über die ganze Fläche möglich sein. Kurze Worte, Namenszüge, die an und für
sich wenig Anhaltspunkte für eine Einteilung bieten, sind so einzuteilen. Beim Durchzeichnen müssen
aber alle Maße, z. B. Balkenbreiten und Abstände, überprüft und nötigenfalls korrigiert werden.
In der Mehrzahl der Fälle ist eine rechnerische Einteilung erforderlich. Diese kann je nach den Erfor¬
dernissen grob oder von möglichster Genauigkeit sein. Ein letzter Ausgleich nach Gefühl und Augen¬
maß wird auch bei der sorgfältigsten Einteilung nicht zu vermeiden sein. Die Schrift ist ein zu kompli-
ARB
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Bild 54a. Schematisch glei¬
cher Zeilenanfang ergibt ein
optisch ungleiches Bild
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ARB
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IMO TISC
BRA
ECH
ORT
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B.H. DEL .B.H.
Bild 54b. Schematisch glei¬
cher Zeilenschluß ergibt ein
optisch ungleiches Bild
Bild 55a
Optisch ausgeglichener
Zeilenanfang
Bild 55b
Optisch ausgeglichener
Zeilenschluß
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