erfolgen. Das geschieht wieder durch eine kleine Verlagerung des Zirkeleinsatzes (Bild 36c). Das Maß
dieses Ausgleiches richtet sich nach der Proportion der Schrift. Magere Schriften bedürfen nur eines
sehr geringen Ausgleiches. Bei fetten Schriften genügt ein bloßer optischer Ausgleich nicht mehr. Sie
würden trotzdem plump und gedrückt erscheinen. Auch fänden bei sehr fetten Formen die drei
Waagerechten des e, s usw. gar keinen Platz mehr. Es macht sich somit ein Übergang in die ungleich¬
schenklige Blockschrift notwendig.
Bild 36
a Zirkelgerechtes О b Ausgleich с Optisch ausgeglichenes О
durch Auseinanderrücken zweier Halbkreise
In mageren Schriften und bei der Verwendung als Großbuchstaben halte man das О, С und G stets
etwas dicker als die übrigen Buchstaben. Sie haben im Alphabet den größten Grundausschnitt, der
den Buchstaben dünner erscheinen läßt.
Der beim О gezeigte Ausgleich ist sinngemäß bei allen Rundungen vorzunehmen, also beim a, b,
e, n, u, s usw. Ebenso notwendig ist er aber bei allen gerade verlaufenden Waagerechten. Das genau
maßgleiche Quadrat auf Bild 37a läßt die waagerechten Balken deutlich dicker als die senkrechten
erscheinen. Dies würde sich im Buchstaben um so unangenehmer auswirken, als die Senkrechten die
tragenden Buchstabenteile sind (Bild 37b). Sie dürften also eher etwas dicker scheinen. .Wir
nehmen den Ausgleich aus praktischen Gründen an den Waagerechten vor, indem wir sie etwas
dünner halten (Bild 37c).
Nicht zu vergessen sind die fast waagerecht verlaufenden Balken der Frakturschriften. Diese können
zur Erzielung eines harmonischen Gesamteindruckes schon merklich dünner als die Senkrechten sein.
Bild 37. Der optische Ausgleich an den Waagerechten
a Schema b Unausgeglichener Buchstabe с Ausgeglichener Buchstabe
Das Schema auf Bild 38 zeigt einen Winkel aus genau gleich breiten Balken. Dennoch scheint der
aufsteigende Schenkel breiter als der absteigende. Wir finden diese Figur fast unverändert im
К wieder. Zum Ausgleich müssen wir also den nach oben weisenden Balken etwas schmälern, den
unteren aber etwas verbreitern. Noch eine weitere Täuschung tritt in' unserem Schema zutage: die
Balken scheinen nach oben und unten etwas schwächer zu werden. Wir müssen sie also nach diesen
Richtungen etwas verbreitern, aber nur ganz wenig. Zur Sicherung der Statik muß dann die untere
Spitze noch etwas nach rechts verlegt werden. (Nur nicht vor einem A, hier kann eher der obere
Schenkel etwas vorspringen.) Schließlich ergibt sich aus den weiter unten gemachten Ausführungen,
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daß die Spitze des Winkels etwas über die Mitte zu legen ist. Bild 38b zeigt zum besseren Verständnis
diese Ausgleichsmaßnahmen stark übertrieben.
Dieser Ausgleich muß an allen Schrägen vorgenommen werden. Die nach rechts unten weisenden Balken
beim A, M, N, R, V, W, X und Y sind leicht zu verstärken, die aufsteigenden in der Breite zu redu-
a Schema
Bild 38. Der optische Ausgleich der Schrägen
b Übertriebene Darstellung
des optischen Ausgleichs beim К
с Ausgeglichener Buchstabe
zieren. Auch der schräge Balken des Z ist etwas zu verstärken. Das Prinzip aller bisher besprochenen
Ausgleichsmaßnahmen ist das gleiche wie beim Wechselzug. Dieser ist also ein weitergeführter und
zur ästhetischen Form erhobener optischer Ausgleich.
Eine geringe Verstärkung gegenüber den anderen Senkrechten macht sich beim kleinen und großen
L notwendig. Da an ihnen kein oder nur ein Querbalken ansetzt, wirken sie durch die allseitige
Uberstrahlung des Grundes leicht etwas zu dünn. Überhaupt ist darauf zu achten, daß die in die Ober-
und Unterlänge gehenden Balken nicht zu dünn ausfallen, zumal sie oft die tragenden Buchstaben¬
teile sind, wie beim h, к, p usw.
Zum Ausgleich der Uberstrahlungen ist weiter zu empfehlen, alle Buchstabenteile, die etwas isoliert
im Schriftbild stehen, z. B. die Spitze des A zwischen L und F oder die obere bzw. untere Endung
beim L und F am Anfang eines Wortes, eine Kleinigkeit über die Zeilenlinien hinauszuführen. Die
Buchstaben würden sonst kleiner als ihre Nachbarn wirken.
Beim aufmerksamen Betrachten von Bild 39 a erscheint uns die Stellung des Querbalkens unsicher.
Er scheint nicht genau in der Mitte zu stehen, sondern etwas nach unten gerutscht zu sein. Diese geringe
Verlagerung des Querbalkens nach unten empfinden wir als unbe¬
friedigend. Beim Nachmesesn stellen wir fest, daß der Querbalken
seine Stellung genau in der Mitte hat. Aber erst, wenn wir ihn eine
Kleinigkeit nach oben verlegen, scheint er wirklich in der Mitte zu
stehen (Bild 39b). Das Buchstabenbild wird durch diese kleine
Verlagerung, die in unserem Falle ein Fünfzigstel der Höhe be¬
trägt, ruhiger.
In gleicher Weise sind auch die entsprechenden Buchstabenteile des
B, E und e zu behandeln. Aber auch die Teilung für S und К ist
nach oben zu verlegen. Eine Ausnahme machen das F, P und R,
deren Mittelbalken wegen der unten offenen Form sogar etwas unter
die Mitte gelegt werden können.
Wir konnten hier nur die notwendigsten und am leichtesten fa߬
baren Maßnahmen zur Erzielung eines ausgeglichenen Schriftbildes
besprechen. Alle Formen beeinflussen sich wechselseitig und machen
unter Umständen einen Ausgleich notwendig. Durch ständige Beob¬
achtung an eigenen und fremden Arbeiten muß das Auge für diese
Dinge geschärft werden. Man glaube nicht, daß der Laie diese
Feinheiten doch nicht bemerkt. Zwar sind ihm Ursache und Wirkung
nicht bewußt, ein ausgeglichenes Schriftbild wird ihn aber ange¬
nehmer ansprechen, und das ist ja eins der Ziele jeder Bemühung ^^мчаы^п"""8
um die Form. durch optischen Ausgleich
Bild 39a. Unsichere
Stellung des Mittelbalkens
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