kurzen Brechungen haben eine Neigung von etwa 45 o. Die längeren Verbindungen der Einzelschenkel,
z. B. beim a, b und n, liegen etwas flacher, entsprechend auch die unteren Teile des e, e und r. Einige
Buchstabenteile sind ganz leicht geschwungen. Das sonst starre Schriftbild erhält dadurch etwas Leben.
Es darf aber über ein geringes Maß nicht hinausgegangen werden.
Man übe die ersten zusammenhängenden Texte nur in diesen Kleinbuchstaben. Die senkrechten
Balken sollen gleichmäßig wie ein Gitter stehen. Die Oberlängen betragen nur 1/3 der Buchstaben¬
körper. Damit rücken die Zeilen eng zusammen. Diese Schrift wirkt nur bei engem Zeilenabstand
schön. Man erstrebe ein Schriftbild von teppichartiger Verwobenheit und kräftiger Struktur.
Als Versalien sind Unzialbuchstaben beigegeben, die in der Gotik als Initialen verwendet wurden.
Ihre vollrunden Formen stehen in starkem Gegensatz zu den enggebildeten Kleinbuchstaben. Diese
Zusammenstellung hat einen großen dekorativen Reiz. Dieser käme noch besser zur Geltung, wenn
unsere Schrift nicht zu sehr mit Großbuchstaben überlastet wäre. Die angebahnte Reform der Schreib¬
weise, die eine Großschreibung nur noch an den Satzanfängen und bei Eigennamen vorsieht, würden
wir auch aus formalen Gründen begrüßen. Fast alle Schriften erhielten dadurch ein geschlosseneres
Bild.
Das große Alphabet kann in geeigneten Fällen auch allein verwendet werden.
Antiqua
(Tafel 6)
Diese mit dem Plakatschreiber einzügig geschriebene Antiqua hat mit der bereits geübten Grotesk
das Skelett gemeinsam. Die Oberlängen der Kleinbuchstaben sind hier etwas höher. Sie stehen im
Verhältnis des „Goldenen Schnittes" zu den Mittellängen.
Es bedarf einiger Übung, diese Schrift gut zu schreiben. Der Pinsel muß manchmal etwas gedreht
werden. Er ist nicht ganz so schräg anzusetzen wie beim Schreiben der Gotischen Schrift. Das ist
notwendig, um den senkrechten Stämmen genügende Dicke zu geben und damit die serifenähn-
lichen Abschlüsse nicht zu schräg werden.
Die einzelnen Buchstaben dürfen nicht zu nahe aneinandergerückt werden. Überhaupt sollte man diese
Schrift nicht in ihrer Breitenentwicklung beschränken. Sie verliert sonst ihre schöne Freiheit. Deko¬
rative Wandbeschriftungen, Texte an Ausstellungsständen, Plakate und dergleichen lassen sich mit
dieser Antiqua schnell und ansehnlich gestalten.
Antiqua-Kursiv
(Tafel 7)
Das Streben nach leichter Schreibbarkeit und Verbindungsfähigkeit hat zur Schrägstellung der Anti¬
qua geführt. Es ist dadurch eine gefällige, flüssig schreibbare Schrift entstanden. Die Antiqua-Kursiv
ist besonders für Wandsprüche, Ausstellungsbeschriftungen, Plakate usw. geeignet. Mit geringem Zeit¬
aufwand ist damit ein ansprechendes Bild zu erreichen.
Besonders der Anfänger sollte sich Hilfslinien ziehen, damit die Schrägen in gleicher Richtung
bleiben. Ihr Winkel zu den Zeilenlinien soll etwa 70o betragen. Eine zu große Schrägstellung ist zu
verwerfen.
Ein großer Teil der Buchstaben bietet Gelegenheit, sie weiter schwunghaft auszubilden. Man gehe aber
mit solchen Ausschmückungen sparsam um und benutze sie nur, um das Schriftbild abzurunden. Vor
allem die Kleinbuchstaben müssen ein ruhiges Gleichmaß zeigen. Erst durch den Gegensatz wirken
einige bewegte Buchstaben angenehm.
Unziale und Halbunziale
(Tafel 8)
Auf unserer Tafel sind zwei Schriften dargestellt: die Unziale, die mit ihren Ober- und Unterlängen
schon den ersten Schritt zur Kleinbuchstabenschrift tut, und die Halbunziale als reine Kleinbuch¬
stabenschrift. Beide waren selbständige Schriften, doch wurden auch in alten Handschriften bei Ver-
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Bild 29. Die Konstruktion des Goldenen Schnittes. Die gegebene Gerade ab ist im Verhältnis des Goldenen Schnittes zu
teilen. An einer Seite wird eine Senkrechte errichtet, deren Höhe der halben Länge von a b entspricht, a wird mit с verbunden.
Die Strecke с b wird dann durch Kreisbogen auf die Linie а с übertragen. Dann setzt der Zirkel in a ein und überträgt die
Entfernung a d auf die gegebene Gerade. Damit ist diese im Verhältnis des Goldenen Schnittes geteilt. Zahlenmäßig ausge¬
drückt, ergäbe das in grober Annäherung das Verhältnis von 6 : io.
Wendung der Halbunziale die Initialen und die Großbuchstaben bei Satzanfängen meist der Unziale
entnommen. Wir haben versucht, aus beiden Schriften eine gemischte Schrift zu bilden, die unserem
Gebrauch entspricht.
Die Unzial-Buchstaben ähneln denen auf Tafel 5. Dort setzte aber die Feder oder der Pinsel schräg
an. Sie waren der sogenannten Schrägfeder-Unziale entnommen. Auf dieser Tafel setzt aber das
Schreibgerät gerade oder fast gerade an. Das bereitet im Anfang einige Schwierigkeiten. Zur Er¬
leichterung kann beim Üben das Schreibblatt etwas schräg gelegt werden. Bei einzelnen Buchstaben,
bei den Waagerechten des F, L, T und Z, muß man das Schreibgerät doch etwas nach rechts drehen,
damit für die Erkennbarkeit der Buchstaben wichtige Teile nicht zu schwach werden.
Die Halbunziale hat besonders große Ober- und Unterlängen, die durch keulenförmige Verdickungen
noch besonders hervorgehoben sind. Auf unserem Anwendungsbeispiel wurde die Schrift durch ein
hochgezogenes t, das eigentlich damals noch nicht gebräuchlich war, für den heutigen Gebrauch les¬
barer gemacht.
Die Unziale ist von feierlicher Wirkung. Sie wird deshalb vorwiegend in Kirchen, auf Friedhöfen
und an Gedenkstätten angewendet.
Schwabacher
(Tafel 9)
Diese bäuerlich derbe, lebensvolle Schrift kann auch einzügig geschrieben werden, wie die ersten
drei Buchstaben auf der obersten Zeile zeigen. Ihren eigentümlichen Charakter erhält sie aber erst
durch jene Abrundungen, die sie durch die Holzschneidetechnik erhalten hat. Mit der auf unserer
Tafel gegebenen Anleitung dürften sie dem Schreiber auch bei den übrigen Buchstaben nicht schwer
fallen. Etwas schwierig sind f und f sowie p und q zu schreiben. Um die zwei Züge schreiben zu
können, aus denen sich die spitz zulaufenden Balken zusammensetzen, muß man das Schreibwerk¬
zeug etwas nach links drehen. Das muß auch bei den für die Schwabacher charakteristischen
Endungen von m, n und u geschehen, ebenso beim Mittelbalken des S. Hier wird die Feder nach
senkrechtem Ansatz in voller Breite waagerecht geführt.
Einige Buchstaben zeigen eine besondere Eigenart. Sie sind äußerst reizvoll und charakteristisch für
die Schwabacher. Für Fälle, in denen diese altertümlichen Formen nicht am Platze erscheinen, sind
am Schluß des Alphabets andere Buchstaben beigegeben, die sich gleichfalls in das Gesamtbild dieser
Schrift einfügen.
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