Schon durch die besonderen Farben des Papiers und des Aufdrucks kann
ein Plakat gegen die benachbarten abgegrenzt sein. Ein wichtiges, sehr wirk¬
sames Mittel dazu sind die Flächen unbedruckten Papiers, die das neue
typographische Plakat charakterisieren. Diese lenken auch in höchstem
Maße den Blick auf sich; denn unbedrucktes Papier gibt es an Plakatsäulen
sonst überhaupt nicht. Die üblichen Typoplakate, auf denen das kleinste
Fleckchen Papier bedruckt ¡st, können nicht anders als chaotisoh und darum
überhaupt nicht wirken. Leerer Papierraum erleichtert zudem die Leser¬
lichkeit und steigert die ästhetische Wirkung erheblich.
Durch die Billigkeit seiner Herstellung hat heute dasTypoplakat wieder Aus¬
sichten für die Zukunft. Auf die Setzer, aber mindestens ebenso auf die Be¬
sitzer der Plakatdruckereien kommt es an, wenn es mit einem Teil der ge¬
zeichneten Plakate in Wettbewerb treten will. Dessen fähig ¡st es.
Vortrat! Münchner Bund
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mit Film ERNST
MAY-Frankfurt
26. Okt. 8 Uhr Die zeitgemäße
Organisation
Garderobegabuhr 70 Pfg. "•»**
des Wohnungsbaues
und der kurzfristigen
Wohnungsbeschaffung
Auditorium Maximum der Technischen
Hochschule, Eingang 2, Arcisstraße
Wie man es aber nicht machen soll !
Ein scheinbar nach den neuen Grundsätzen gestaltetes Typoplakat, bei näherem Zusehen aber eine ganz
unleserliche Form. Wo soll man zu lesen anfangen -wo fortfahren? Zehn Grade sind auf dem Plakat
verwandt, wo zweifellos höchstens sechs genügt hätten. Die grundlos vergrößerten Anfangsbuchstaben vieler
Wörter bringen noch mehr Unruhe in das Ganze, als sich schon ohnehin ergeben hätte. Der alles verur¬
sachende Fehler ist die vorgefaßte Formidee (hier die rein äußerliche Dreiteilung), der dann die Schriftzeilen
willkürlich eingepreßt werden und deren Abschnittlängen die Größe der Scbriftzeichen bestimmen.
Da ist schon die Mittelachsenkomposition besser I
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DAS BILD PLAKAT
Überall dort, wo für ein Kaufobjekt geworben werden soll, das dargestellt
werden kann, ist das Bildplakat vorzuziehen, da es unvergleichlich sinn¬
fälliger wirkt als fast jedes Schriftplakat. Die Darstellung selbst muß so
objektiv wie möglich sein, d. h. vor allem frei von dem persönlichen Strich
des Künstlers. Bernhards Sachplakate (der StlHer-Stiefel usw.) bemühten
sich schon lange vor dem Kriege in dieser Richtung, und es soll gern zu¬
gegeben werden, daß seine Bemühungen nicht ohne Erfolg waren.
Aber die Individualität des Künstlers drückte sich in diesen klassischen
Leistungen noch allzusehr aus, und sie hat wohl auch noch ausgedrückt
werden sollen. Man suchte sogar z. B. auch die Nervosität der malenden
Hand In den „angefressenen" Buchstabenformen zu erhalten, die für das
Vorkriegsplakat so bezeichnend sind und geradezu zur Manier ausarteten.
Die Theorien der Plakatkünstler der Vorkriegszeit, die an einem großen Teil
der heutigen Plakatproduktion durchgeführt sind, haben dazu geführt, daß.
innerhalb einer Gruppe solcher Plakate das einzelne lediglich auf Grund
einer besonderen persönlichen Lin ienfüh rung (Bern hard, Höh ¡wein) vielleicht
eine kleine Gruppe von Menschen als ästhetische Form interessiert, ohne
dem großen Publikum, auf das es hier ankommt, aufzufallen.
Als es keine gezeichneten Plakate dieser Art gab, am Anfang des Jahr¬
hunderts, konnten solche Plakate noch anziehend wirken. Der damalige
Mensch hatte mehrZeit als der heutige, und er wurde von der besonderen
graphischen Form zum Betrachten des Plakats verleitet. Heute ist der
Prozeß des Plakatlesens ein anderer. Das Plakat, gleichgültig ob Bild- oder
Schriftplakat, muß im Moment des Vorübergehens oder Vorbeifahrens er¬
faßt werden, oder, wenn ein längerer Text notwendig ist, durch die ganze
Erscheinung frappieren und anziehen. Das zeitgemäße Plakat ist zwar noch
immer ein Sachplakat (wie es Lucian Bernhard propagierte), aber das Ob¬
jekt darf nicht mehr individualistisch vereinfacht(=verzerrt)werden,sondern
muß in eindeutiger, unmißverständlicher und unpersönlicher Form er¬
scheinen. Alle Zutaten, die die Handschrift eines bestimmten Künstlers ver¬
raten, widersprechen dem Wesen des Plakats. Unter einer Reihe von nach
den Gesichtspunkten derfrüheren Plakatkünstler entworfenen Plakaten hebt
sich kaum eins hervor, denn Farbenwahl und malerische oder zeichnerische
Auffassung dieser individuell-malerischen Plakate sind zum Schema und
dadurch uninteressant geworden. Der „Strich" des Künstlers 1st nichts als
eine überflüssige, dem Zweck nur schädliche Belästigung des Publikums,
Wenn man sich vergegenwärtigt, daß für das Plakat, das an der Säule schnell
gelesen werden soll, nur die einfachsten und klarsten Formen die allein
richtigen sein können, muß man zu einer strikten Ablehnung aller persönlich
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