Mit dem gegebenen Text und der klaren Schriftform ¡st eine eindeutige, mög¬
lichst stark wirksame typographische Form zu gestalten. Hierbei kann man
sehr wohl mit der bloßen Schrift auskommen, wie das Plakat „Fortbildungen
kurse" beweist. Aber auch der Fall, daß man, um eine befriedigende har¬
monische Form zu erhalten, Balken, Pfeile, vielleicht sogar auch Kreisfor¬
men verwenden muß, tritt ein. Niemals dürfen aber z. B. Kreisformen an die
Stelle desÖrna/nents treten, wie man das leider heute so oft an gutgemeinten
scheinbar „elementaren" Plakaten beobachtet (ich zählte einmal an einer
Plakatwand acht solcher Punkte). Wird eine Kreisform oder eine andere
„sekundäre" Form verwendet, so muß sie eine Funktion (Hinweis, Unter¬
streichung) erfüllen, denn sonst wäre sie rein dekorativ. Beim Plakat ganz
besonders müssen dekorative Ressentiments und alles, was über das Sach¬
liche hinausgeht, mit Entschiedenheit abgelehnt werden. Mit der naiven Auf¬
fassung, ein Kreis sei ohne weiteres ein „Blickfang", muß'endllch aufgeräumt
werden. (Warum werden dann eigentlich die Kreise immer dorthin gesetzt,
wo das Unwichtigste oder nichts steht?) Möglich, daß der Kreis ein einziges
Mal als „Blickfang" gewirkt hat — in der ewigen Wiederholung als bloße De¬
koration wirkt er nicht bllck-anziehend, sondern abstoßend.
Die Wirkung muß mit anderen Mitteln - z. B. einem großen Buchstaben,
einer Ziffer, und einer eigenartigen Flächengestaltung erreicht werden.
Eine gute Wirkung läßt sich mit viel und wenig Text erreichen. Wenn auch
wenig Text stets besser ¡st als die romanartige Länge gewisser Plakate, so
kann auch ein größerer Text durch große Gradunterschiede und eine gute
Verteilung zweckmäßig organisiert werden. Dies ist freilich fast hoffnungslos,
wenn der Kunde einen Riesentext bringt und ungefähr alles „groß" haben
möchte. Durch unverständige Bestimmungen wird leider oft verhindert, daß
ein gutes Plakat entsteht. Die Varieté- und Revue-Plakate z. B. sind Schulbei-
spiele-für die tiefe Unkenntnis mancher Unternehmer in Reklamedingen.
Zu den rein typographischen Ausdrucksmöglichkeiten treten die der far¬
bigen Gestaltung hinzu. Schon die Farbe des Papiers ist von Bedeutung.
Man wird am besten ein Papier wählen, das einen anderen Farbton auf¬
weist, als die gleichzeitig angeschlagenen anderen Plakate zeigen. Die Er¬
rechnung eines solchen Farbtons ist freilich immer noch ein Glückspiel,
denn die Buntheit einer Plakatwand oder einer Säule kann sich über Nacht
grundlegend verändern. Sehr zweckmäßig sind die ungewöhnlichen Farb¬
töne rosa, englischgrün, hellblau, grau usw. und unreine Töne, die bisher
nicht angewandt wurden. Freilich sind die Papiere In den meisten dieser
besonderen Farben teurer als die gewöhnlichen, aber ihre Wirkung 1st wirk¬
lich überraschend, da durch sie die Eintönigkeit der gewöhnlichen gelben
und violettroten Plakate durchbrochen wird.
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Typographisches Kinoplakat. Schwarz und blau auf rolviolett.
Außer dem schwarzen Aufdruck, der die Regel bildet, ist ein farbiger Auf¬
druck — ein- oder mehrfarbig — möglich, der unter Umständen das Plakat
farbig sehr reizvoll machen kann. Durch den Aufdruck einer Farbe, z. B. rot,
auf farbiges, etwa grünes, Papier ergeben sich eigenartige Farben, die man
im allgemeinen nicht an derSäule zu sehen gewöhnt 1st, und die darum die
Wirkung des Plakats sehr steigern können.
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