der neuen typographischen Gestaltung wurde bereits in dem Abschnitt über
die Grundsätze der Neuen Typographie berichtet, so daß ich mich hier mit
dem Hinweis darauf begnügen kann.
Ganz besonders bei Werbsachen kommt es darauf an, eine möglichst starke
Wirkung durch größtmögliche Kontraste aller Art zu erreichen. Nach Mög¬
lichkeit sollen diese durch die von selbst notwendigen Formen der Schrift, der
Photos usw. erzeugt werden. Nur dann, wenn dies nicht erreicht werden kann,
dürfen sekundäre Kontrastformen (Balken, Linien, Punkte) verwandt werden.
Die (absichtlich) sehr verschiedenartigen Aufbauformen der zwei hier ab¬
gebildeten Werbeblätter von Burchartz und Canis mögen dafür Beispiele
sein. Auf dem Blatte „werbe-bau" stehen die schweren Formen des Signets
und der Wortmarke den kleinen Formen der Schrift, der offene Schriftblock
oben und der abgeschlossene in der Mitte einander gegenüber. Die auf¬
gelöste Erscheinung der kleinen Zeilen ganz oben und unter „werbe-bau"
steht in wirksamem Gegensatz zu der Geschlossenheit des übrigen Satzes.
Im Werbeblatte „fährt" treten der Kontrast der Richtungen und das Moment
der Wiederholung („100%", grün und schwarz) als Wirkungsmittel hinzu.
Eine außerordentlich wichtige Rolle spielt in der modernen Typographie und
ganz besonders in der Reklametypographie die Verwendung des photogra¬
phischen Klischees. Mit dieser Erfindung wurde geradezu eine neue Epoche
MAX BURCHARTZ
und JOHANNES CANIS:
Rückseite eines Werbeblatts. Format
DIN A4. Farben: Schwarz und grün.
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MAX BURCHARTZ
und JOHANNES CANIS: Werbeblatt.
Zweifarbig. Format A4.
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Gustav Kracke, Rehbur»Stad> ■»> »»»*
der Druckgestaltung eingeleitet, in deren Anfang wir uns erst jetzt befinden.
Fast alles, was bisher mit Hilfe von Zeichnungen gestochen, geschnitten oder
geätzt wurde, läßt sich heute mittels Photos und Klischees besser, schneller
und auch meist billiger darstellen. Leider unterschätzen noch weite Kreise
die Möglichkeiten der Photographie selbst und die photomechanischen
Techniken sehr, und ich weiß, daß gerade die Buchdrucker sich sehr da¬
gegen wehren. Es wurde heftig Kritik an meinerThese geübt, daß die Photo¬
graphie ein Mittel der Typographie wie Typen und Linien sei. Das photo¬
graphische Bild ¡st wie ein Buchstabe ein Zeichen mit dem Zweck, einen
Inhalt zu vermitteln. Je schneller und einfacher ein Zeichen diesen Inhalt
vermitteln kann, um so besser ist es. Der Sinn der Entwicklung unserer
Schrift von einer Bilderschrift zur Buchstabenschrift war doch, dieVerständi-
gung zwischen den Menschen soweit ais möglich zu fördern. Heute sind wir
in der Lage, manches einfacher mit einem Photo zu „sagen" als mit Worten,
Und ist nicht das Photoklischee derType auch materiell durchaus verwandt?
Bestimmt wird die Entwicklung über diejenigen hinweggehen, die sich gegen
das Photoklischee in der Typographie und das Photo überhaupt wehren
und es als „unkünstlerische Form" ablehnen. (Dieses Problem behandelte
schon der Abschnitt über „Typographie und Photographie".) In der Reklame
jedenfalls kommt es absolut nicht darauf an, eine „künstlerische Abbildung"
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