Schallplatte, Van Heusen Kragen, Zeissbücherschrank, Büchsenmilch, Tele¬
phon, Büromöbel, Schreibmaschine, Gillette-Apparat. Die Standardisierung,
Normung und Elektromechanung der Gebrauchsgegenstände wird noch
weiter zunehmen. Folge der Ökonomie ihi*er Herstellungsweise und ihres
Materialverbrauchs wird eine stand ig e Verbesserun g sein. Doch wäre Elektro¬
mechanung als Selbstzweck ein Unsinn; ihre Sinngebung ist ein Folgezu¬
stand, der auf der Basis der Befriedigung elementarer Bedürfnisse durch
höchstwertige Standardprodukte zum ersten Male eine wirkliche und freie
Entfaltung aller schöpferischen Kräfte des Menschen ermöglicht.
Auf einigen Gebieten machen Standardisierung, Normung und Mechanung
fast täglich Fortschritte, auf den meisten 1st fast alles noch zu tun. Auf den¬
jenigen, die auf keine Tradition zurückblicken können, wo also Hemmungen
in der Formgebung am geringsten waren, hat ei ne fortschreiten de technische
Vervollkommnung relative Rekordleistungen erzielt: Rumpler-Tropfen-Auto,
Riesenflugzeug, Schreibmaschine. Weitere Normung der Einzelteile solcher
Ingenieurwerke wird heute noch nutzlos verbrauchte Energiemengen einer
immer höheren Vervollkommnung dienstbar machen. Die meisten Tätig¬
keitsgebiete und Äußerungsformen menschlichen Schaffens erfahren aber
nur erst langsam eine den Forderungen der Zeit entsprechende Neubildung.
So sind auf den Gebieten des Hausbaus und der Wohnung erst in allerjüngster
Zeit die Projekte von Gropius und Le Corbusier gewürdigt worden, die auch
auf diesen scheinbar solchem Ansinnen nicht zugänglichen Gebieten eine
weitgehende Standardisierung und Serienfabrikation gefordert haben. Auch
Haus und Wohnung einander entsprechender Individuen sind in ihrem Auf¬
bau gleichgeartet genug und durchaus geeignet, die volkswirtschaftliche
Forderung der Zeit nach Normung und Standardisierung der Einzelteile zu
erfüllen.
Der konstruktive Aufbau der ingenieurwerke und Standardprodukte hat mit
Notwendigkeit zum Gebrauch der exakten geometrischen Formen geführt.
Die letzte und reinste Form eines Gebrauchsgegenstandes baut sich immer
aus geometrischen Gebilden auf. Die neue Zeit hat eine ganz neue optische
Einstellung gezeitigt und uns auf die primäre Ausdrucksform des Menschen:
die geometrischen Gebilde und exakten Formen hingewiesen. Unsere Sym¬
pathie für diese geometrischen und wissenschaftlichen Formen entspricht
zugleich dem uns angeborenen Streben nach einer Ordnung der Dinge und
Geschehnisse, das sich angesichts des Chaos doppelt mächtig äußert. Wir,
die wir letzte Reinheit und Wahrheit unserer Umwelt wollen, gelangen darum
auf allen Gebieten zu Formen, die ihren Aufbau als solchen — notwendigen —
Elementen nicht mehr wie früher verleugnen, sondern offen zeigen und
bejahen. Die so entstehenden Formen müssen zwangsläufig ein überlndivi-
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duelles und übernationales Aussehen erhalten. Nicht die Herkunft eines
Gegenstands ist Maßstab seines Werts, sondern seine Annäherung an die
Suprematform, die höchste und reinste Gestaltung. Ihr Urheber verschwindet
ganz hinter seinem Werk. Der heutige Mensch empfindet das arrogante Sich¬
vordrängen des Schöpfers vor das Werk als ästhetisch peinlich. So wie jeder
Mensch Teil eines größeren Ganzen und dieses Zusammenhangs bewußt ist,
soll auch sein Werk der Ausdruck dieses Zusammengehörigkeitsgefühls sein.
Diese Grundeinstellung findet ihre Entsprechung auf dem Gebiete des Sports
in der Begeisterung von Millionen bei einem Siege Tunneys über Dempsey.
Jeder neue Rekord ist dem einzelnen der Ausdruck einer erhöhten Leistung
durch allgemeine Kräfteanspannung, er ist der Beweis, mit welchem Elan
und welchem Erfolg die neue Generation sich bemüht, an die Stelle mittel¬
alterlicher Dumpfheit und beschaulicher Betrachtungsart Bewegung und
Aktivität zu ersetzen. Die träumerischen Illusionen sind den neuen Wirklich¬
keiten, den Sensationen heutigen aktiven Lebens gewichen. Das Bühnen¬
stück — die Illusion eines Lebens — hat seine Zugkraft verloren — denn
das Leben selbst ist zum Schauspiel geworden : Straße der Großstadt, Licht¬
reklame, Stadion I
Einige klare Köpfe, die Avantgardisten aller Völker, führen auf diesem Wege.
Ihre Gestaltungen in Malerei und Architektur haben zu einer Neuordnung
auf allen anderen Teilgebieten menschlichen Schaffens und ihrem Neuauf¬
bau geführt. Ihre Lehrmeister waren jene Werke der Ingenieure, die Klarheit
und Reinheit ihres Aufbaus und ihrer Erscheinung. „Schönheit" erscheint
uns heute nicht mehr als Selbstzweck und etwas Selbstherrliches, sondern
als Folge, als Attribut der Richtigkeit und Zweckmäßigkeit der Konstruktion.
Diese Konstruktion liegt allem zugrunde, organischen und organisierten
Gebilden: Aufbau und Gestaltung einer Rose sind nichtweniger folgerichtig
als die Konstruktion eines Rennautos — beide bestechend in ihrer letzten
Ökonomie und Präzision.
So ¡st das Streben nach Reinheit der Gestaltung der Generalnenner aller
Bestrebungen, die sich den Neuaufbau unseres Lebens und unserer Äuße¬
rungsformen zum Ziele gesteckt haben. Sie alle erkennen das Gemeinschaft¬
liche ihrer Einzelwege, das Ziel:
Einheit des Lebens!
Darum gibt es für uns nicht mehr die selbstherrliche Isoliertheit einesTeil-
gebietes — ein jedes fügt sich bewußt dem Zusammenhang ein. Auf den Ge¬
bieten, wo der alte Schlendrian noch die Herrschaft hat, gilt die Arbeit der
Besten dem Kampf gegen dumpfe Trägheit, Mißgunst und Borniertheit.
Auch die Typographie als Einzelgebiet hat die Aufgabe, sich dem großen,
neuerkannten Zusammenhang aller Schaffensgebiete einzufügen. Diese
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