Schaffung selbständiger Zeichen für seh, ch, ng, die Abschaffung über
flüssiger Buchstaben (z, q, c) und als Ziel die Regel „Schreibe, wie du sprichst"
mit ihrer Umkehrung „Sprich, wie du schreibst" Auf dieser Basis wäre eine
neue, sinngemäßere Rechtschreibung aufzurichten, denn ohne sie kommt
die Literatur nicht aus.
Selbstverständlich vollzieht sich eine solche Umwälzung in der Recht¬
schreibung und der Schrift nicht von heute auf morgen, aber Ihre Zeit
kommt mit Sicherheit. Unbewußt oder bewußt schafft die kulturelle Ent¬
wicklung und jeder einzelne Mensch ari ihr mit. Darum wird die Schrift der
Zukunft nicht von einem einzelnen, sondern nur von einem Kollektiv ge¬
schaffen werden können.
Es ist bezeichnend, daß eins der besten neueren Bücher über Sprache,
Schrift und Rechtschreibung nicht etwa von einem Künstler oder einem
Philologen, sondern von einem Ingenieur geschrieben worden ist: „Sprache
und Schrift" von Dr. W. Porstmann. Für jeden, der sich-mit diesen Problemer
befaßt, ist es eine unumgängliche Voraussetzung.
Wenngleich die Neue Typographie die Beseitigung der Versalien für
wünschenswert hält, ¡st diese doch nicht unbedingte Forderung. Sie liegt
MUSIK DER ZEIT
WORT DER ZEIT
TANZ DER ZEIT
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Jan TSCHICHOLD: Typographisches Konzertplakat. Schwarz und rol auf Silber.
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aber, genau wie eine sinngemäßere Gestal¬
tung der Rechtschreibung, auf dervon uns
verfolgten Li nie: einer un beirrten Gestaltung
der Typographie gemäß den Bedingungen
und Forderungen unsererZeit.
Fehler,
denen man oft begegnet
Viele haben im Anfang in der Neuen Typo¬
graphieeinen neuen Formalismus gesehen,
d. h., sie übernahmen aus den Ergebnissen
der neuen typographischen Gestaltung die
auffallendsten Formen — Kreise, Dreiecke,
Balken — also die geometrischen Formen,
um sie in der Art des früheren Ornaments
anzuwenden. Die „elementaren Schmuck-
formen", ein Widerspruch in sich selbst,
die dann einigeSchriftgießereien unterver¬
schiedenen Namen in den Handel brachten,
haben dieses Mißverständnis nur noch
weiter verbreitet. Solche geometrischen
G rundformen, auf die wir jede Form zu rück¬
führen möchten (daherdie Kreisformen an¬
stelle derSterne in diesem Buche) müssen
aber, wenn man sie schon anwendet, funk¬
tionelle Bedeutung haben: sie müssen also
die Worte oder Gruppen des Textes betonen
oder aus Gründen der harmonischen Ge¬
samtform angebracht sein. Statt dessen
trifft man auch heute noch eine rein spiele¬
rische, schein-konstruktive Formung, die
dem Wesen neuer Typographie durchaus
entgegengesetzt ist.
Die nebenstehende Zeitungsanzeige ist ein
chara kteristischesBeispiel für einenSchein-
konstruktlvismus, der noch immer weit ver¬
breitet ist. Die Form hat sich hier nicht
natürlich erg eben, sonde m bestand a Is Idee,
ehe sie gesetzt war. Das Inserat ist nicht
mehr Typographie, sondern Malerei mit
Buchstaben, es wendet guten typographi-