Der Verzicht auf das Ornament genügtaber nicht, um zu einer wirklich sinn¬
gemäßen Form zu gelangen. Wir sahen schon oben, daß die bloß ornament¬
lose alte Form wirkungslos bleibt, da sie, wenn nicht auf die Mitwirkung
reinen Ornaments, doch auf die Wirkung ornamentaler Schrift gegründet
¡st. Die alte Typographie war formal mit einem Blick zu erfassen, obwohl
dies gar nicht dem Lesevorgang entspricht. Wenn es mir auch gelingt, die
Umrißform des Gesetzten auf einmal zu erkennen, so habe ich noch nichts
wirklich gelesen. Lesen setzt Bewegung des Blicks voraus. Die Neue Typo¬
graphie gestaltet den Text, indem sie den Bljck des Lesers von einem Wort,
einer Gruppe, zur andern führt. Notwendig 1st also eine sinngemäße
Gliederung des Textes durch Größenunterschiede, Stärkegrade, Stellung
im Raum, Farbe usw.
Das Eigentümliche einer Form wird am nachdrücklichsten durch eine gegen¬
sätzliche Form sichtbar. Wir würden den Tag nicht alsTag empfinden, wenn
es nicht die Nacht gäbe. Kontrastmöglichkeiten gibt es zahllose. Schon die
einfachen Gegensätze: groß-klein, hell-dunkel, wagerecht-senkrecht, recht¬
eckig-kreisrund, fläch ig-„plastisch", g eschlossen-a ufgelöst, bunt-un bunt bieten
unendlich viele Möglichkeiten einer sichtwirksamen Gestaltung.
Große Unterschiede des Gewichts sind wirksamer a Is kleine. Je näher die ver¬
wendeten Schriftgrade einander sind, um so unklarer wird die Erscheinung.
Die Beschränkung auf wenige Grade (drei bis höchstens fünf in normalen
Fällen) ist immer zu empfehlen. Sie ist auch gut, weil auf diese Weise zu¬
gleich die Arbeitsweise vereinfacht wird. Der Unterschied der Grade darf
erheblich sein; es wird Immer besser sein, die Schlagzelle sehr groß, das
übrige beträchtlich kleiner zu setzen.
Jedoch ist unbedingt notwendig, daß die Kontraste - etwa aerGröße - sinn¬
gemäß sind. Man darf z. B. nicht.den Vornamen mit einem größeren Versal
beginnen, wenn der Anfang des Hauptnamens nicht besonders ausgezeichnet
ist. Die Form muß ein eindeutigerAusdruck ihres Inhalts sein, sie darf sich
nicht im Widerspruch mit dem Inhalt befinden.
Die Asymmetrie der Gestaltung führt von selbst dazu, daß der weiße Unter¬
grund aktiv an der Form beteiligt ist. Die typische Hauptform der alten
Typographie, der Buchtitel, zeigt die schwarze Form auf einem passiven,
unbeteiligten Papiergrund (siehe die Abbildungen auf den Seiten 19 bis 29).
Die asymmetrische Form steht in einem anderen Verhältnis zu ihm: der
Papiergrund wirkt - mehr oder weniger stark — als Gestaltungselement
mit. Die Intensität der Mitwirkung des Papiers hängt davon ab, ob diese
bewußt verstärkt wurde oder nicht. Latent'vorhanden ist sie aber in jeder
■ asymmetrischen Form. Die Neue Typographie benutzt die Wirkungsmöglich¬
keit des ehemaligen „Hintergrundes" bewußt und betrachtet die weißen
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STATISTIK der
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