„Thesen über Typographie" veröffentlichte. Das Buch „Staatliches Bauhaus
1919 bis 1923" enthielt einen Beitrag über „Die neue Typographie" von
L. Moholy-Nagy, der inzwischen an das Bauhaus berufen war und in derFolge-
zeitWesentliches zur Klärung typographischer Fragen beigetragen hat.
Von Willi Baumeister brachte die „A. Z., Anzeigen-Zeltschrift zur Pflege
wirkungsvoller Insertionsreklame, Reutlingen" in Ihrem Heft 2/3, November-
Dezember 1925, einen Artikel über die neue Typographie.
Walter Dexel legte seine Anschauungen In einem Aufsatz „Was ist neue Typo¬
graphie?" in einer Nummer der Frankfurter Zeitung vom 5. Februar 1927
nieder."
In Holland hatte schon 1916 die von Théo van Doesburg herausgegebene
Zeitschrift „De Stijl" Aufsätze über eine reine typographische Gestaltung
gebracht und eine ornamentlose Typographie realisiert. Die Postkarte auf
Seite 59 zeigt die Absichten ihres Urhebers deutlich: einereine Typographie
aus Satz, Fläche und Farbe zu gestalten. Die von Doesburg um 1921 heraus¬
gegebene Zeitschrift „Mecano" war ebenfalls ein Beispiel der neuen
Typographie
Von russischen Künstlern 1st vor allem El Lissitzkyzu nennen, derauf unserem
Gebiete Wesentliches geleistet hat. Er gab mit dem Dichter Erenburg 1922
in Berlin die dreisprachige Zeitschrift „Gegenstand" heraus, deren Aus¬
wirkung auf Rußland besonders stark war. Unsere Abbildung zeigt zwei
charakteristische Seiten daraus. Eine weitere wichtige Arbeit von ihm ist
das Majakowskische Gedichtbuch „Dlja Gólossa (Zum Vorlesen)", das er
1923 ebenfalls In Berlin herausbrachte. Das sollte ein Buch sein, aus dem
man, wenn es einem gerade einfiel, den anderen etwas sollte vorlesen können.
Darum zeigt das Büchlein .am äußeren Rande eine Indikatur, wie etwa die
Briefordner, auf der die Titel der Gedichte vermerkt sind. Will man eines
lesen, so greift man in die betreffende Stelle der Indikatur und hat sofort
die richtige Stelle des Buches, ohne das Inhaltsverzeichnis (das natürlich
fehlt, denn es steht ja auf der Indikatur) benutzen zu müssen. Den einzelnen
Gedichten gehen Titelseiten voraus, die als malerische Paraphrasen des
Gedichtinhalts betrachtet sein wollen. Der Buchdrucker ist leider leicht
geneigt, diese Formen — zu Unrecht — in Bausch und Bogen abzulehnen.
Aber man sollte doch nicht vergessen, daß wir es hier mit einem Gedicht¬
buch zu tun haben, das seiner ganzen Art nach eine solche Gestaltung
• Zu nennen wäre ferner ein Versuch des Malers Johannes Uten, der in einem Heft »Utopia* (Weimar um
1922) .symbolistische" Typographie gestaltete. Er versucht darin, durch Schriftart und Anordnung gleichsam
eine Illustration des Wortes zu geben, den Gefühlsinhalt sinnlich wahrnehmbar zu machen. Das hat freilich
nichts mit den Absichten der neuen Typographie zu tun, bleibt aber über seine zeitliche Bedeutung hinaus
ein wertvolles Dokument unserer Zelt des Werdens.
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EL LI S SI Г ZK Y : Zwei Seiten aus der Zeitschrift „Gegenstand". Berlin 1922.
gerechtfertigt erscheinen läßt. Daß es nur seinem geistigen Gerichtetsein
nach, nicht aber in der Einzelform Vorbild sein darf, versteht sich von selbst.
In einer Nummer der Zeitschrift „Merz" hat El Lissitzky einige Thesen ver¬
öffentlicht, die wir hier folgen lassen:
TOPOGRAPHIE DER TYPOGRAPHIE
1. Die Wörter des gedruckten Bogens werden abgesehen, nicht abgehört.
2. Durch konventionelle Worte teilt man Begriffe mit, durch Buchstaben
soll der Begriff gestaltet werden.
3. Ökonomie des Ausdrucks — Optik anstatt Phonetik.
4. Die Gestaltung des Buchraumes durch das Material des Satzes nach
den Gesetzen der typographischen Mechanik muß den Zug- und
Druckspannungen des Inhaltes entsprechen.
5. Die Gestaltung des Buchraumes durch das Material der Klischees,
die die neue Optik realisieren. Die supernaturalistische Realität des
vervollkommneten Auges.
6. Die kontinuierliche Seitenfolge — das bloskopische Buch.
7. Das neue Buch fordert den neuen Schrift-steller. Tintenfaß und Gänse¬
kiel sind tot.
8. Der gedruckte Bogen überwindet Raum und Zeit. Der gedruckte
Bogen, die Unendlichkeif der Bücher, muß überwunden werden. Die
Elektrobibliothek.
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