Im ähnlichen Sinne wie er gestalten in derTschechoslowakei einige modern
gesinnte Künstler, an ihrer Spitze Karel Teige, der eine Reihe bemerkens¬
werter Einbände für einige Prager Verlage geschaffen und die typographi¬
sche Form dieser Bücher bestimmt hat,
In Deutschland ist L. Moholy-Nagy durch die „Bauhaus-Bücher" als typo¬
graphischer Gestalter bekannt geworden.
Einen wichtigen Teil der Buchproduktion stellen jene Bücher dar, deren Text
seiner ganzen Art nach nicht dazu geeignet ist, wie in Marinettis „Mots
en liberté futuristes" oder in Lissitzkys „Zum Vorlesen" gestaltet zu werden.
Während dort die typographische Form ein selbständiger, aber vom Gan¬
zen untrennbarer Teil des Kunstwerks ist, hat die Typographie in diesen
Büchern eine rein dienende Rolle zu erfüllen. Von „neuer Sachlichkeit"
in der ganzen Anlage hier zu reden, wäre schon allein deshalb verfehlt,
weil im Buche Sachlichkeit kein ausgesprochen neues Prinzip ist. Es
kann sich auch bei solchen Büchern (also Romanen und einen Großteil der
wissenschaftlichen Literatur) nicht darum handeln, eine wirklich neue Buch¬
form (im technischen Sinne) zu schaffen. Denn die alte Buchform 1st für
solche Literatur vorzüglich geeignet, und eine an sich gute Form besteht
so lange zu Recht, bis sie durch eine wirklich bessere ersetzt wird. Zudem
ist nicht das geringste Bedürfnis, nach einer Änderung vorhanden, und erst
ein solches würde eine wirkliche neue Form rechtfertigen. Auch in bezug
auf die typographische Form kann es sich also nur um Modifikationen der
bisherigen Buchg'estalt handeln. So wenig sie auch für den Inhalt selbst
bedeuten mögen, erscheinen sie uns doch wichtig genug, denn so wie Gotik
und Barock, Rokoko und die wilhelminische Ära charakteristische Buch¬
form en trotz der allen gemeinsamen,! m wesentlich en unverändert gebliebenen
technischen Form erzeugten, muß sich auch unsere Zeit den ihr eigenen
Ausdruck in der Typographie des Buches schaffen.
Da diese Buchform speziell von der Type bestimmt wird, muß auf die Be¬
strebungen hingewiesen werden, die hier eine Änderung, nämlich die Be¬
seitigung der historischen und historisierenden Schriften auch aus dem
Buche erstreben. Während sich die Anzeichen einer zeitgemäßen Erneuerung
auf allen andern Gebieten zeigen, werden, im Gegensatz dazu, auch im
modernen Buche zumeist noch die historischen Formen der Fraktur und
der Antiqua angewandt.
Die heute allgemeine, übertriebene Befolgung der vor dem Kriege aus¬
gegebenen Parole „Qualitätsstoffel" hat zudem erreicht, daß das deutsche
Buch das teuerste der ganzen Welt ist, daß für einen Menschen selbst mit
mittlerem Einkommen das deutsche Buch ein fast unerschwinglicher Luxus¬
gegenstand geworden ist.
230