Umstellung auf den Rotationstiefdruck konstatieren. Er ¡st zweifellos das
den illustrierten Zeitungen adäquate Druckverfahren. Der Offsetdruck kann
sich infolge der mangelnden Tiefe des Druckergebnisses nicht mit ihm
messen; ersteht in dieser Beziehung mit dem gewöhnlichen Rotationsdruck,
der ebenfalls nicht mehr m it dem Tiefdruck konkurrieren kann, in einer Reihe.
Die große Tiefe und samtene Oberfläche des Tiefdruckbildes bilden einen
großen Anreiz des Käufers. Zweifellos werden darum nach und nach alle
Zeitschriften dieser Art zum Kupfertiefdruck übergehen, wenn nicht, was ja
möglich ist, inzwischen ein neues, vielleicht noch schöneres und ebenso
rationelles Druckverfahren erfunden wird.
TABELLENSATZ
Im Tabellensatz sollten endlich die obligaten fettfeinen und doppelfeinen
Linien, überhaupt alle Arten von Linienkombinationen verschwinden. Mit den
einfachen Linienstärken von Fein bis Cicero lassen sich alle, selbst die
feinsten Trennungsgrade einwandfrei und besser als mit den alten Kombi¬
nationen darstellen.
Überschriften von Tabellen, sofern sie außerhalb des Liniengefüges stehen,
stellt man nicht mehr auf Mitte, sondern nach links oder rechts. Die
Inschriften der kleinen Ordnungsfelder werden dagegen im allgemeinen
ausnahmsweise auf Mitte gestellt, da sich sonst in vielen Einzelfällen ein zu
unruhiges Bild ergibt.
Die Forderung nach höchster Klarheit verlangt gerade auch in derTabelle
als Auszeichnungsschrift die Grotesk.
Mediävalziffern sind unbedingt abzulehnen. Sie sind unpraktisch u,nd eine
veraltete, historische Form. Ziffern auf Halbgeviert, ohne Ober- und Unter¬
längen, sind in Tabellen (und auch sonst) die einzig richtigen.
Als Hilfslinien für handschriftliche Eintragungen sind feine Linien praktischer
und schönerals punktierte. Da heute die in Betracht kommenden Eintragungen
häufig mit der Maschine gemacht werden, sind diese Hilfslinien oft über¬
haupt überflüssig und sogar störend.
Tabellensatz braucht keineswegs auch weiterhin eine wenig befriedigende
Aufgabe zu sein, wenn man sich nur von einigen erstarrten Regeln löst; er
kann im Gegenteil zu einer eminent künstlerischen Aufgabe werden, die den
anderen Gebieten des Akzidenzsatzes nachgestellt zu werden wirklich nicht
v/erdient.
222
DAS NEUE BUCH
Auch auf dem Gebiete der Buchgestaltung hat sich in den letzten Jahren
eine Umwälzung vollzogen, die, bisher nur von wenigen erkannt, jetzt einen
weiteren Aktionsradius zu ziehen beginnt.
Sie bedeutet die Verlegung des Schwerpunktes auf die optische Erscheinung
des Buches und eine zeitgemäße, restlose Ausnützung der typographischen
und photographischen Mittel und Methoden.
Vor der Erfindung des Buchdrucks wurde die Dichtung der Zeit von den
Autoren selbst oder anderen berufsmäßigen Sängern mündlich vorgetragen.
Die Bücher des Mittelalters — etwa die Manessische Liederhandschrift —
haben lediglich die Funktion einer das gesprochene Wort festhaltenden
Niederschrift. Der Buchdruck hatte zwar-sofort zur Folge, daß an die Stelle
mündlichen Vortrags der Dichtung mehr und mehr das Ablesen vom ge¬
druckten Buche trat.* Der Mensch des 15. Jahrhunderts stand aufrecht vor
dem Lesepult und las sich oder anderen den Inhalt laut vor. Da her die großen
Lettern, die für die Mehrzahl der gotischen Bücher charakteristisch sind. Erst
diezunehmendeBeschleunigung desLesetempos machte in derFolgezeitdie
Verwendung kleinererTypen möglich und notwendig.
Das laute und langsame Lesen, das „Abtasten" des Einzelbuchstabens, des
Einzelwortes ist in unserer Zeit dem Überfliegen des Textes gewichen. Die
Lesetechnik des heutigen Menschen erzeugte die spezifische Form des
Zeitungssatzes mit seinen großen und kleinen Zeilen, ihren verschiedenen
Fettigkeitsgraden, der Sperrung einzelner Worte und ganzer Sätze, der
Hervorhebung durch großen Ausschluß und weiten Durchschuß und so fort.
Die optische Erscheinung der Zeitungen gibt ein Sinnbild des heutigen
Lebenstempos.
In der Literatur selbst haben sich parallele Wandlungen vollzogen. Der Dichter
der Gegenwart beschreibt nicht mehr wie etwa die Dichter des 19. Jahr¬
hunderts weitläufig die Gefühle seiner Helden und die Landschaften der
Handlung in epischer Breite. Die Schnelligkeit und Gedrängtheit des Films
hat auch die Literatur in der Richtung nach filmisch-momentbildhafter Ge¬
staltung beeinflußt. An die Stelle des Romans ist die short story getreten.
Auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten sind einige Dichterder
Gegenwart auf die Typographie gestoßen. Sie haben versucht, die Wirkungs-
• Die Ansager verschwanden auch nicht plötzlich, Erst In den letzten Jahren hat ein Minimum an Interesse,
das ihnen das Publikum enlgegenbrachte, ihr Verschwinden bewirkt.
Für solche Dichtungen, die auf akustischer Wirkung beruhen - bei denen der mündliche Vortrag für die
Wirkung unerläßlich ist-, bleibt die Schallplatte als relativ vollkommene Möglichkeit einer Niederschrift:
Kurt Schwitters und Joachim Ringelnatz haben folgerichtig einige ihrer „akustischen" Schöpfungen aufVox-
platlen gesprochen.
223