DIE ILLUSTRIERTE ZEITUNG
In den letzten Jahren hat die Zahl der illustrierten Zeitungen außerordentlich
zugenommen. In dieser Tatsache drückt sich die Sehnsucht des modernen
Menschen nach Bildern aus, wie sie durch den Mangel an Zeit, den ein um¬
ständliches Lesen von Tagesnachrichten erschwert, hervorgerufen worden
¡st. Über die Befriedigung der reinen Neugierde hinaus vermögen die illu¬
strierten Zeitungen und Magazine oft einen wirklichen Genuß durch die
manchmal optisch und technisch hervorragenden Reporterphotos zu geben.
Wenn das literarische Niveau der meisten derartigen Zeitungen so wenig
hoch ist, so ist das wohl auf die vorläufig wenig differenzierten Aufnahme¬
organe der Masse, an die sich ja eine jede Zeitung vorzugsweise wendet,
zurückzuführen. Es besteht aber kein Zweifel, daß eine solche Differenzie¬
rung mehr und mehr Platz greift. Die Beschäftigung mit diesem Problem
soll jedoch hier nicht unsere AufgaDe sein
Man muß sagen, daß die optische Erscheinung derartiger Zeitschriften zwar
aus unserer Zeit geboren ist, daß sie aber dennoch ihren Geist nicht rein
verkörpert. Das Phänomen der illustrierten Zeitung ist noch verhältnismäßig
jung; daher ist sie, was ihrer äußeren Erscheinung nur zugute kommen
kann, nur wenig abhängig von „traditionellen" Auffassungen. Eine solche
Abhängigkeit bemerken wir nur in der eigentlichen Typographie, während
Zusammenstellung und Aufbau der Bilder u. ä„ wenigstens im großen und
ganzen, zeitgemäß ist.
Die Überschriften der Artikel sind zum Teil, die Unterschriften der Bilder
ganz und gar im Sinne der alten Mittelachsentypographie gehalten, während
dagegen der Aufbau der Bilder vielfach asymmetrisch ist. Symmetrie der
Bilder kommt zwar zuweilen vor, mag auch ursprünglich überall beabsichtigt
sein, aber Ausmessungen und Größe der Bilder lassen eine solche Form
kaum zu. Die dadurch fast von selbst entstehende asymmetrische Gesamt¬
erscheinung wird nun durch die Unterschriften der Bilder, die auf Mitte
gestellt sind, sehr gestört.Will man zu einer harmonischen Form gelangen,
so ¡st ein asymmetrischer Satz auch dieser Zeilen notwendig. Am besten
läßt man die Zeilen vorn links beginnen. Es gibt aber noch zahlreiche andere
Möglichkeiten einer asymmetrischen Stellung der Unterschriften.
Als Auszeichnungsschrift (für Titel und Unterschriften) ist halbfette und
fette Grotesk die geeignetste Schriftform. Ihre Klarheit und Exaktheit macht
sie zur Schrift unserer Zeit, die vor allem in diesen Dokumenten des heu¬
tigen Alltags und seiner Aktivität angewandt werden müßte. Ein geschickter
und phantasievoller Typograph kann mit rein typographischen Mitteln sehr
reizvolle Lösungen für alleTitelarten hervorbringen. Die Anwendung gezeich-
neterZeilen in den Überschriften ist als unzeitgemäß und untypographisch
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abzulehnen, Die Titel haben nicht die Aufgabe, den Inhalt expressionistisch
„auszudrücken", sondern ihn auf die klarste und einfachste Art zu sagen,
nichts weiter.
Leider wird als Brotschrift heute noch fast durchgängig Fraktur angewandt.
Das „Jllustrierte Blatt" (Frankfurt) ist mit gutem Beispiel vorangegangen und
hat statt ihrerAntiqua eingeführt. Das Aussehen dleserZeitung hat dadurch
sehr gewonnen. Für die Notwendigkeit der Grotesk als Auszeichnungsschrift
kann man noch den weiteren Grund anführen, daß sie die einzige Schrift
¡st, die der Photographie wirklich entspricht, und zwar durch die beiden ge¬
meinsame innere Objektivität. Die Schnörkel und Яапкеп der Fraktur, dieser
Beamtenschrift des 16. Jahrhunderts, gehören nicht mehr; in unsere
Zeit und werden nie zu einer solchen ausgesprochen gegenwärtigen Druck¬
form wie der illustrierten Zeitschrift passen. Da nun eine als Brotschrift
wirklich gut geeignete Grotesk noch nicht existiert, muß man zu der nächst
einfachen Type greifen, der Antiqua. Die sachlich-unpersönlichen Antiqua¬
schriften Garamond, Bodoni, Französische Antiqua, Nordische Antiqua, Sor¬
bonne u. ä. sind besser als alle Künstler-und Akzidenzschriften, denn bei
jenen drängt sich nicht wie bei diesen die Form vor den Inhalt.
Die Photoklischees gewinnen, wenn man sie ohne die häßlichen Rändchen
bringt. Ganz und gar zu verwerfen sind die oft zentimeterbreiten Rahmen, die
man in manchen Zeitschriften findet. Das ist weder schön in unserem Sinne,
noch durch denWertdes Einzelbildes gerechtfertigt— eine unsympathische
Phrase.
Für die Stellung der Bilder auf den Seiten läßt sich keine Regel geben.
Starke Kontraste der Größe und Form (groß —klein, geschlossen —aufgelöst,
dunkel —hell, senkrecht—wagerecht, tief—flach usw.) sind leichtzu erzielen
und machen das Ergebnis anziehend. Die Photomontage kann in hohem
Maße als Wirkungsmittel benutzt werden. Es ist erstaunlich, wie wenig har¬
monisch angesichts solch großer Möglichkeiten die allermeisten derartigen
Zeitschriften gestaltet sind. Die äußere Erscheinung selbst der größten unter
ihnen ist geradezu provinziell. Gute Versuche auf dem Gebiet der Bilder¬
anordnung haben der „Sportspiegel" und „Der Weltspiegel" gemacht.
Neben den vorerwähnten Einzelheiten trägtdaran vielfach auch die ganz über¬
flüssige Umrahmung der Bildseiten einen Teil der Schuld. Man sollte sie weg¬
lassen und so die Bilder zu größerer und freierer Wirkung bringen.
Eine weitere Forderung unserer Zelt ¡st das einheitliche Format, an dem es
bisher noch sehr mangelt. Das Dinformat A3 (297x420 mm) käme hier ¡n
Betracht, es ist vorzüglich für diesen Zweck geeignet.
Schließlich bedarf die Drucktechnik solcher Zeitschriften noch einiger Be¬
merkungen. Wir können ganz allgemein eine immer weiter fortschreitende
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