Aldus Manutius erkennt als erster die Eigengesetzlichkeit des gedruckten
Buchs und sein Verschiedensein von der Handschrift. Man kann darum
Manutius als den Beginner des eigentlich typographischen Zeitalters ¡n der
Buchherstellung bezeichnen; Gutenberg erscheint ihm gegenüber mehr als
Imitator des mittelalterlichen Manuskripts.
In der Renaissance und den von Ihr abhängigen Epochen des Barock und
des Rokoko entsprechen den zwei Typen der Gotik (Textur und Schwabacher)
die heute sogenannte Mediäval-Antiqua und die aus einer kurrenten Antiqua¬
art abgeleitete, von Aldus erfundene zugehörige Kursiv.
In Deutschland entwickelt am Anfang des 16. Jahrhunderts Vinzenz Reckner,
der Geheimschreiber des Kaisers Maximilian, aus der Textur die deutsche
Renaissanceschrift: Die Fraktur. Sie ist der an sich gelungene Versuch, den
für das Gefühl der Renaissance unbeholfenen gotischen Lettern die Flüssig¬
keit und Eleganz der neuen Formenwelt zu geben. Wie schon die späteste
Deutscher
Buchtitel aus dem
Jahre 1741.
Schwarz und rot.
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deutsche Gotik, die eigentliche Renaissance überspringend, zum Barock
führt, selbst schon fast Barock ¡st (Tilman Riemenschneider), so ¡st auch
diese Schriftschöpfung der deutschen Renaissance Ihrem Wesen nach
barock. Das zeigt sich in den krausen verschnörkelten Bewegungen der
Stabenteile, den Rüsseln der Großbuchstaben, ja sogar in der Rechtschrei¬
bung der damaligen Zeit (die noch heute die amtliche deutsche isti) mit
ihrer Häufung der großen Anfangsbuchstaben.
In den der Renaissance organisch folgenden Stilperioden des Barock und
des Rokoko hat sich die Fraktur nur ganz unwesentlich verändert; erst am
Ende des 18. Jahrhunderts erfuhr sie Versuche einer Umbildung. Die Fraktur
¡st fast nur in Deutschland benützt worden; andere Länder haben sich ihrer
nicht bedient oder aber sie nach kurzem wieder aufgegeben.
Die Frakturbücher der Renaissance, des Barock und des Rokoko zeigen ein
fast gleichartiges Aussehen, das sich nur durch dieType von den aus Antiqua
gesetzten Büchern unterscheidet. Die Herrschaft der Mittelachse hier wie
dort, nur eine in der Formgebung der Fraktur begründete stärkere „farbige"
Wirkung der deutschen Bücher. Proportionen und Formprinzipien sind bei
deutschen und lateinischen Büchern die gleichen. Die Titel von Fraktur¬
büchern erscheinen zuweilen infolge der Verwendung vieler Schriftgrade
und vieler roter Zeilen bunt, grob und ungehobelt, doch gibt es Parallelfälie
auch im Antiquabuch. Erst am Ausgang des 18. Jahrhunderts erfuhren beide
Arten eine lichtere Formung, durch stärkeren Durchschuß, weniger umfäng¬
liche Titel, kleinere Grade usw.
Gegen Ende des 18, Jahrhunderts vollzieht sich die Wandlung der Mediäval-
Antiqua zur sogenannten französischen Antiqua durch die Stempelschneider
Dldot, Bodonl, Walbaum u. a. Die Bevorzugung der lateinischen Schriften
auf dem europäischen Kontinent schon in dieser Zelt beruht, außer auf
deren größerer Klarheit, auf der damaligen Vorherrschaft des französischen
Rokoko in den sogenannten Kulturländern. Unter ihrem Einflüsse hat In
Rußland Peter der Große zu Anfang des 18. Jahrhunderts die kirchen¬
slawischen (cyrillischen)Schrlftformen den lateinischen Formen angenähert.
Bedeutende deutsche Schriftschneider empfanden schon damals das
Unzeitgemäße, Mittelalterliche der Frakturformen. Die Versuche von Unger
(Unger-Fraktur) und Breitkopf (sogenannte Jean-Paul-Fraktur) erweisen, wie
sehr man bemüht war, die Fraktur in ihrer äußeren Erscheinung derAntiqua-
Form zu nähern. Die Eigentümlichkeit der französischen Antiqua zeigt sich
in der zunehmenden „Typisierung" der Einzelteile des Buchstabens. Verrät
die Mediäval-Antiqua und die zugehörige Kursiv in ihren Einzelheiten noch
deutlich die Imitation des geschriebenen bzw. des gemeißelten Vorbilds, so
ist die Schrift Dldots die Urform einer wirklich „geschnittenen" (gravierten)
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