1922, Arabisch-Türkisch, type specimen
from D. Stempel, Frankfurt, Leipzig,
Vienna, Budapest
Jan Tschichold entwarfen für Schelter & Giesecke, EW. Kleukens und Her¬
mann Zapf für Stempel. Manche waren auch für mehrere Unternehmen
als Schriftentwerfer tätig. Die diesen Entwürfen gewidmeten Muster sind
zumeist typografische Glanzleistungen und kleine Perlen der Druckkunst.
Man kann zu Recht sagen, dass die Trendsetter des Metiers über weite
Strecken des 19. und 20. Jahrhunderts aus Deutschland kamen. Aber auch
in anderen Ländern waren exzellente Designer für Schriftgießereien am
Werk. Georges Auriol und E. Grasset arbeiteten für Peignot, A. M. Cassan¬
dre und Adrian Frutiger für Deberny & Peignot, Roger Excoffon für Olive,
Aldo Novarese für Nebiolo, Warren Chappell und Morris F. Benton für
American Type Founders, Rudolph Ruzicka, WA. Dwiggins und Walter
Tracy für Linotype, F.W. Goudy, Bruce Rogers, Berthold Wolpe und Eric
Gill für Monotype. In den Niederlanden waren im 20. Jahrhundert S.H. de
Roos und Dick Dooijes bei der Lettergieterij Amsterdam angestellt, J. van
Krimpen und S. L. Hartz arbeiteten für Enschedé.
Ich möchte noch eine Reihe weiterer Schriftmuster erwähnen, die sich
in meiner Sammlung befinden und die ich aus dem einen oder anderen
Grunde für ungewöhnlich halte. Dazu gehört eines aus dem Jahr 1832 von
der fünf Jahre zuvor gegründeten Frankfurter Gießerei Dresler und Rost-
Fingerlin, der Nachfolgerin der im 17. Jahrhundert aktiven Schleussner-
schen Schriftgießerei. Später im 19. Jahrhundert wurde sie von Flinsch
übernommen und diese wiederum von der Bauerschen Gießerei.
Ein ganz anderes Paar Schuhe sind die Druckwerke der Typis Sacrae
Congregationis de Propaganda Fide in Rom, die im Jahr 1626 zur Verbrei¬
tung des christlichen Glaubens unter den Völkern des Ostens eingerichtet
wurde. In ebendieser Druckerei erlernte Bodoni im 18. Jahrhundert sein
Handwerk. Für ihre Publikationen, darunter fremdsprachige Lehrbücher
mit dem Vaterunser in der jeweiligen Sprache, wurden eigens exotische
Schriften geschnitten - koptische, tibetanische, persische und so weiter.
1785 verbrachte man die Schriften nach Paris, wo 1805, als päpstliche Hom¬
mage an die Kaiserkrönung Napoleons, das Vaterunser in 150 Sprachen ver¬
öffentlicht wurde. Ein großer Teil der Drucktypen befindet sich noch heute
in der Imprimerie Nationale. Von den betreffenden Publikationen besitze
ich 14 Stück aus der Zeit von 1629 bis 1789.
In diesem Zusammenhang ist auch Edmund Fry zu erwähnen. Sein
Muster aus dem Jahr 1787 enthält hebräische, äthiopische, samaritanische,
arabische, persische, türkische, tatarische und malaiische Schriften. 1799 ver¬
öffentliche Fry seine Pantographia, in der auf 320 Seiten sämtliche bekann¬
ten Alphabete der Welt exakt dargestellt und erläutert werden. Die meisten
Schriftarten für das Werk schnitt Fry selbst.
Das erste umfassendere Schriftmuster der 1819 gegründeten Schriftgieße¬
rei Schelter & Giesecke kam 1836 heraus. Wie ich in einer 1894 erschiene-
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Jan Tholenaar
Um 1820 tauchte für die Schriftgießereien scharfe Konkurrenz
in Form der Lithografie auf. Während die Buchdrucker mit ihren
starren rechteckigen Bleiplatten in ihren Möglichkeiten einge¬
schränkt waren, konnten Lithografen jeden beliebigen Entwurf
auf eine Platte übertragen, zum Beispiel für Wertpapiere,
kalligrafisch gestaltete Visiten- und Geschäftskarten, Kalender
und sonstige kommerzielle Druckerzeugnisse.
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nen Festschrift der Firma gelesen habe, konnte im 19. Jahrhundert ein guter
Schriftgießer täglich 5000 bis 6000 Drucklettern von Hand gießen! Fried¬
rich Bauer nennt in seiner Chronik der Schriftgießereien (1928) eine Anzahl
von 2000 bis 4000 Lettern. Durch die Erfindung der Gießmaschine Mitte
des 19. Jahrhunderts erhöhte sich die Geschwindigkeit um das Sechsfache.
Ein ebenfalls seltenes Muster sind die 1834 in Frankfurt am Main
erschienenen Proben aus der Schriftgiesserey der Andreäischen Buchhandlung.
Wie ein auf das Titelblatt aufgeklebter Hinweis besagt, war das Unterneh¬
men mit Wirkung vom 1. Juli 1839 von Benjamin Krebs' Schriftgießerei,
Buch-, Congrève- und Steindruckerei übernommen worden. So bestand
die einst von Johann Wechsel im Jahr 1581 gegründete Gießerei unter
neuem Dach bis ins 20. Jahrhundert fort. Aus derselben Zeit wie das zuvor
genannte stammt ein Muster von Eduard Haenel (1837), dessen Magdebur¬
ger Gießerei kurze Zeit später durch einen Brand zerstört wurde, worauf
Haenel sein Gewerbe in Berlin fortsetzte.
Deutsche Gießereien führten häufig eine Dépendance in Moskau oder
Sankt Petersburg, um den russischen Markt zu bedienen. Von Berthold
besitze ich einen großen, gegen Ende des ^.Jahrhunderts angefertigten
Musterbogen, komplett auf Russisch und mit ausführlichen, vielfarbig
gestalteten Schriftbeispielen. Ebenfalls von Berthold stammt ein hebräi¬
sches Muster von 1924 - angeordnet natürlich in der Leserichtung von
rechts nach links - mit herrlichen farbigen Illustrationen. 1925 kam ein
ähnliches Muster für östliche Sprachen, darunter Arabisch, Türkisch und
Hindi, heraus.
1990 erschien ein Bleisatzmuster mit dem Titel A Miscellany of Type. Bei
diesem großformatigen Muster, gedruckt auf 148 Seiten aus schwerem Büt¬
tenpapier, handelt es sich um eine bibliophile Ausgabe der englischen
Whittington Press, die das fantastische Mato-Jahrbuch druckt und heraus¬
gibt. Л Miscellany of Type ist ein Beispiel für musterhafte Druckkunst und
umfasst Holzstiche und andere farbige Illustrationen, die früheren Publika¬
tionen der Druckerei entnommen sind.
Als ich das von Ian Mortimer in London gedruckte und herausgegebene
Buch Ornamented Types erwarb, war es in den Niederlanden in keiner einzi¬
gen öffentlichen Sammlung zu finden. Es enthält Drucke von Schmucklet¬
tern aus Holz, die von dem Anfang des 19. Jahrhunderts aktiven Londoner
Schriftgießer Pouchée stammen. 1936 hatte die Monotype Corporation das
Material aus der Konkursmasse der Caslon Foundry aufgekauft. Es überleb¬
te die Bombenangriffe während des Krieges und befindet sich heute in der
St. Bride Printing Library. Die 200 Exemplare auf einer alten Handpresse zu
drucken, hat mehrere Jahre gedauert. Das Buch besteht aus 24 Alphabeten
auf insgesamt 45 Seiten und wurde auf 170 Gramm schwerem Zerkall-Büt-
ten (53 x 38 Zentimeter) gedruckt. Zu dem Werk gehören ein Schuber und
ein separater Einleitungsband von James Mosley. Dass dieses Muster seinen
Preis hat, kann in Anbetracht der vielen Arbeit, die in ihm steckt, nicht
überraschen. Es ist jeden Cent wert.
Mein Muster der im Jahr 1900 in Bombay gegründeten Schriftgießerei
Gurajati umfasst mehr als 400 vielfarbige Seiten und erschien in einer Auf¬
lage von 10000 Exemplaren. In einem in Matrix 2 erschienen Artikel zu die¬
sem Exemplar heißt es, dass die Arbeit an dem Muster 1926 begann und es
die westlichen Gießereien in herstellerischer und technischer Hinsicht
„ausstechen" sollte. Dazu wurden ein erfahrener Drucker und ein Akzi¬
denzsetzer angeheuert und eine neue Druckerpresse aus Deutschland ange¬
schafft; aus Amerika importierte man Kunstdruckpapier, die Tinte stammte
von Manders in England. Abgeschlossen wurde das Werk 1937 - eine Pro¬
duktionszeit von elf Jahren also, weshalb ich das „Ausstechen" nicht allzu
hoch hängen möchte.
Daneben gibt es auch kleine Muster von Privatdruckereien. Ein solches
ist Specimens of Type Used at The Ashendene Press, ein schlichtes Einzelblatt,
für das ich sehr viel Geld bezahlt habe. Das Besonders an diesem Muster
ist, dass es zwei Schriften enthält, die für den Besitzer von Ashendene,
Mr. Hornby, entworfen und geschnitten wurden: die Subiaco und die Ptole¬
my. Ein Muster von Hans Mardersteig für Monotype (1928) stellt die Paston-
chi vor, die speziell für eine neue Reihe italienischer Klassiker geschnitten
wurde. Es erschien als bibliophile Edition von 200 Exemplaren, handge¬
druckt auf Fabriano-Papier und mit eingeklebten Einzelmustern.
In diesem Zusammenhang sind auch die Schriftmuster von Paul Hay-
den Duensing (der selbst Stempel schnitt und Typen goss) erwähnenswert,
ferner die Harrisfeldwegpresse, die Alembic Press, ein sehr reizendes kleines
Buch der Overbrook Press (1934), die Harbor Press, die Kit-Cat Press, die
Sandeiswood Press, die Philippsberger Werkstatt und nicht zu vergessen
Charles Whitehouse von der Edition Seefeld. Letztere brachte beispiels¬
weise ein Blatt zu van Krimpens Romanee in einem schönen klassischen
Design heraus, handgedruckt auf Büttenpapier mit rauer Oberfläche auf
einer Kniehebelpresse. Vor dem Druck wurde das Papier angefeuchtet - das
Ergebnis ist fantastisch: Die kleine, eng laufende Kursive in 10 Punkt ist
unglaublich scharf, tiefschwarz und dennoch nicht zu fett. Das Besondere
Über das Sammeln von Schriftmustern
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